Die Falsche Tote
Bauernpaar im hintersten Värmland mit erwachsenen Kindern. Das Schnellschreiben konnte sie nicht mehr von ihrer Mutter gelernt haben, ganz sicher aber auch nicht von dem älteren Bauernpaar.
»Bist du gut?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wie lange machst du das schon?«
»Seit gestern.«
Er grinste, weil er das neueste Geheimnis nach nur einem Tag herausbekommen hatte. Sofi wollte diesen Teil ihres Lebens nicht durch Preisgabe beflecken. »Das passt zu dir«, sagte er.
»Hab ich vorhin irgendetwas falsch gemacht?«
»Wir dürfen uns nur nicht verfransen. Hast du das Poster gesehen?«
»Es gibt keine Vierte Schwesternschaft. Ich habe es schon überprüft.«
»Für mich sieht das eher nach Modedesign aus. Hast du bemerkt, wie aufwendig das Poster gestaltet ist?«
Sofi nickte. »Es könnte ein neues Modelabel sein. Dann wäre die Botschaft nur ein Image. Kleidung für Frauen über zwanzig, die erfolgreich und rebellisch zugleich sind, oder so einen Quatsch.«
Wer einem Ausländer etwas ganz und gar Schwedisches nennen müsste, würde wohl inzwischen zu den Schwesternschaften greifen. Davon gab es inzwischen mehr als Volvos und Elche. Die amerikanische Idee der Mädchenbanden war hier auf fruchtbaren Boden gefallen, so wie alles Amerikanische in Schweden auf fruchtbaren Boden fiel. Schweden unterschied sich von anderen Ländern vor allem darin, dass auch Frauen über zwanzig Schwesternschaften bildeten oder erhielten, und hier ging es nicht um Jugendbandenkriminalität.
»Am besten spricht du mal mit Karin Hellqvist«, überlegte er. »Die leitet seit April das Dezernat für Jugendbanden in Huddinge. Wenn es wirklich eine Vierte Schwesternschaft gibt, dann kennt Karin sie.«
»Sie kennt sie nicht.«
Ihm fiel auf Anhieb kein Lob für Sofi ein. Er musste sie häufiger loben.
»Ich könnte mal die Läden bei mir in Söder abklappern. Da kaufen solche Leute ihre Sachen.« Sie drehte den Kopf und musterte sein weißes Hemd und die hellbeige Hose. »Du siehst ein bisschen aus wie Miami Vice, weißt du?«
»Linda war das. Barbro hat mich für Jeremy Irons gehalten.«
Die Tür flog auf. Es war Sten Haglund, der Reichskriminalchef. Er streifte sich das Baumwolljackett ab, das er zu jeder Jahreszeit trug und das große Ähnlichkeit mit der Fußmatte von Kjells Nachbarin, Frau Jansson, hatte.
»Rosenfeldt ist in Sicherheit«, sagte er. »Die französische Polizei passt auf ihn auf.«
»Wie war die Besprechung?«
»Martina Kihl, die neue Staatssekretärin im Justizministerium, hat die Geheimhaltung infrage gestellt.«
»Und?«
»Kullgren und der Rest der Säpo haben sie mundtot gemacht. Der Minister ist sowieso dafür.«
»Wieso stellt sie das infrage?«, wollte Sofi wissen.
»Wenn es später veröffentlicht wird, kann sie behaupten, dass sie dagegen war, aber überstimmt wurde«, erklärte Kjell.
»Möchtest du Kaffee haben?«, fragte Sofi den Reichskriminalchef. »Die anderen kommen noch.«
»Wir bleiben natürlich bei der Geheimhaltung«, fuhr Sten beim Umrühren fort. »Wenn wir bekanntgäben, dass die JK-Tochter tot ist, würden wir sie alle aufschrecken. Wenn man nur wüsste, womit man es hier zu tun hat.«
»Mit einem Unfall«, sagte Kjell und genoss die fragenden Blicke. »Möglichkeit A, sie fällt aus dem Fenster und ihr einziger Besucher ist die Schwerkraft. Möglichkeit B, die Schwerkraft hat einen Komplizen.«
»Niemand darf wissen, dass wir den Nachbarn haben!«, schoss es aus Sofi hervor.
Endlich konnte er loben! »Ganz richtig, Sofi. Niemand darf wissen, dass wir von dem Türklingeln wissen. Wenn Möglichkeit B zutrifft, sollte es wie Möglichkeit A aussehen.«
Sten kratzte sich an dem Silberreif, den die Natur ihm noch auf dem Kopf gelassen hatte. Sofi erinnerte daran, dass es bisher keine Spur für einen Eindringling gab.
»Die wird es wohl auch nicht geben«, da war sich Kjell sicher. »Bei Verbrechen dieser Art braucht man nicht darauf zu hoffen. Was hast du herausgefunden?«
Sofi trug ihr Dossier vor. Josefin Rosenfeldt war einundzwanzig Jahre alt und in Uppsala geboren. Fünf Jahre nach ihrer Geburt war die Mutter gestorben, und Lennart Rosenfeldt hatte seine Dozentenstelle für Juristik in Uppsala aufgegeben, um eine Abteilung im Justizministerium zu leiten. Die Familie zog nach Stockholm und wohnte seit vier Jahren in einer großen Wohnung am Norr Mälarstrand. Das war vom Präsidium aus nur die Straße hinunter zum Wasser. Sozialdemokratie hin oder her, die Kinder waren
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