Die Falsche Tote
nichts, weil er nicht verraten wollte, dass er als Vater davon wusste.
Es gab jedoch ein Problem. In Josefins Bad lag eine Packung Verhütungspillen, die zur Hälfte aufgebraucht war. Sie gehörten nicht der Isländerin, aber der endokrinologische Befund ließ keinen Zweifel daran, dass Josefin die Pillen nicht genommen hatte.
Während sie draußen auf die Ankunft von Lennart Rosenfeldt warteten, führte Kjell ein kurzes Gespräch mit Jenna aus dem Labor. Bisher hatte sie in der Wohnung Fingerabdrücke von vierzehn Personen gefunden, wobei sie zunächst nur die freien Flächen geprüft hatten. Jeden verstauten Gegenstand zu kontrollieren, vermieden die Techniker, da es meist nur Verwirrung stiftete. Es brachte eine hohe Zahl an Abdrücken, doch darunter gab es nur sehr selten einen, der mit der Tat zu tun hatte.
»Auf der Verpackung der Tabletten sind die Abdrücke einer anderen Person«, sagte er dann zu Sofi.
»Die Verkäuferin?«
»Jenna sagt, dass sie diesen Abdruck an vielen Stellen in der Wohnung gefunden haben. Eher eine Freundin.«
Sie warteten im Wagen, der vor dem Eingang der Pathologie im Schatten parkte, ohne die Türen zu schließen. Der Sommer zog sich schon so lange hin, dachte Kjell und blickte zum Himmel. Seit einer Woche wurde ein Abendgewitter angekündigt, das jedoch nie gekommen war.
»Wenn von der Familie keine Hinweise kommen, sind wir am Ende.« Das war keine Jammerei. Es würde so sein.
Sofi schwieg und spielte lange mit dem Saum ihres Rocks. »Wenn wir später mit der Isländerin reden, vielleicht kommt da was raus.«
»Der Nachbar hat sich geirrt.«
»Hast du das Geländer gesehen? Sie ist so groß wie Linda. Das Geländer reicht ihr bis über den Bauchnabel.«
»Also Selbstmord?«
Sofi schüttelte den Kopf. »Wenn sie nüchtern gewesen wäre, hätten wir uns wundern können, warum sie sich nicht wehrt. Aber zwei Gläser haben sie schon ordentlich betrunken gemacht. Sie könnte schon getaumelt haben.«
»Sie hatte nur 0,3 Promille.«
»Es waren sechsundzwanzig Grad. Auf jeden Fall konnte sie die Situation nicht mehr richtig einschätzen.«
»Hast du die Aussagen der Isländerin studiert?«
»Sie ist Ärztin und arbeitet seit einigen Tagen im Söderkrankenhaus in der Notaufnahme. Obwohl sie wirr und geschockt wirkte, hat sie doch eine recht entschiedene Aussage gemacht und Josefin als verängstigt beschrieben.« Sofi blätterte in ihrem Notizblock, worin sie in jeder freien Minute las und schrieb. »Hier! Verängstigt oder traumatisiert, das hat sie gesagt. Sie ist Notfallärztin. Wir können also viel auf ihren Eindruck geben.«
Ein dunkler Saab fuhr in hohem Tempo auf den Parkplatz und hielt vor dem Eingang. Kjell und Sofi stiegen aus ihrem Wagen. Der Beifahrer sprang aus dem Saab und öffnete die Hintertür. Er musste von der Säpo sein. Der Justizkanzler hob sich beschwerlich von der Rückbank. Er trug ein kariertes Hemd aus dickem, weichem Stoff, das er schon einmal in einer Fernsehdiskussion angehabt hatte. Da hatten die Karos auf dem Bildschirm geflimmert, deshalb konnte Sofi sich erinnern. Rosenfeldt sah immer ein wenig verwahrlost aus, im Gegensatz zu den anderen Trägern hoher Staatsämter. Sofi hatte immer gerätselt, ob er sich mit Absicht so gab, damit die Leute ihn nicht als abgehoben betrachteten. Aber jetzt konnte sie sehen, dass an seiner Erscheinung nichts unecht war. Das dunkelgraue Haar fiel wie immer in dicken Strähnen. Und wie immer blickte Rosenfeldt traurig drein. Ihm fehlte all das Souveräne und Hochmütige, das Politiker und Juristen sonst an sich hatten. Kjell hatte Sofi aufgetragen, Rosenfeldt genau zu betrachten, während er in kargen Worten darlegte, was am Vorabend geschehen war. Als er von der Vermutung sprach, dass jemand in die Wohnung eingedrungen sein könnte, um Josefin aus dem Fenster zu stürzen, verzogen sich die Augenbrauen des Mannes. Offenkundig hielt er den Gedanken für abwegig, es mit einem Mord oder gar einem Attentat zu tun zu haben.
»Hältst du es denn für möglich, dass sie gesprungen sein könnte?«, fragte Sofi, obwohl sie ja eigentlich nichts sagen sollte.
»Das weiß man doch nie«, antwortete er mit leiser Stimme. Die klang immer ein wenig brüchig. Rosenfeldt sprach nie ohne Zweifel. »Ich sehe keinen Grund, weder in ihr noch außen, aber so etwas kommt doch immer aus einer Tiefe, in die man auch als Vater nicht blicken kann.«
Sofi hatte seit dem gestrigen Abend alles über ihn zusammengetragen, was sie finden
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