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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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hinter zwei Baumreihen lag ein Halbrund aus hölzernen Sitzreihen. Im Sommer gab es dort am Abend Theateraufführungen, im Winter konnte man seinen Hund hinpinkeln lassen.
    Sie zog sich rasch an und verließ die Wohnung. In einem Stadtteil zu wohnen, der so hieß wie sie, hatte ihr auf Anhieb gefallen. Dann aber nicht mehr, weil sie ihren Namen auch mit allen Geschäften, Kirchen und Autowerkstätten teilen musste. Am Sofia-Kiosk kaufte sie sich Dagens Nyheter und zwei Dosen Ettan-Tabak. In der Meerjungfrau waren alle Tische belegt, obwohl es nicht mal halb zehn war. Sie wollte ohnehin lieber draußen sein. Deshalb gesellte sie sich zu den anderen Passagieren ans Fährkai. An Bord blies ein warmer, kräftiger Wind. Sofi lehnte sich ans Geländer und überlegte, schon in Sjöstad von Bord zu gehen. Aber dort hatten die glücklichen Pärchen sicher längst ihre Neubauwohnungen mit Holzsteg und angelegtem Schilfidyll verlassen, um im Café Soop zu frühstücken. Und sie wäre dann die Einzige ohne Mann und Kinderwagen. Sie kam ja nie an Männern vorbei, was sollte sie da tun? Das bedeutete nicht, dass sie nicht glücklich war. Gestern Abend zum Beispiel, als sie ganz spät von der U-Bahn heimgelaufen war, nur sie und die Ampelkästen, deren lautes Ticken am Tag vom Straßenlärm verschluckt wurde, da war sie sich müde und erfüllt vorgekommen.
    Sie fuhr den Danvikenkanal hinauf und spuckte ihren Tabak ins Wasser, bevor sie an der Endstation Nybroviken von Bord ging. Sofi war eine versierte und leidenschaftliche Umsteigerin, mit dem 69er wollte sie zum Centralen und von dort mit der U-Bahn zur Universität. Als der Bus kam, erkannte sie, dass ihre Technik durchaus noch entwicklungsfähig war. Wie immer hatte sie den Stockholmer Sonntagsverkehr vergessen und kam nicht mal bis zum Fahrer, um ihre Karte vorzuzeigen. Sie setzte sich in der rechten Ecke der Vorderscheibe auf das Armaturenbrett. So hatte sie die ganze Hamngatan entlang eine wunderbare Aussicht auf die Menschenmassen. Ein Brief. Darin gestand Hesperia ihre Liebe. Gestanden? Der Brief war doch in der Wohnung geblieben, er hatte Aisakos gar nicht erreicht. Der Bus hielt vor dem NK-Kaufhaus. Dreißig Menschen stiegen aus, fünfzig stiegen zu. Sofi wurde gegen die Scheibe gedrückt. Der Bus fuhr langsam an. Aber das Kuvert war zugeklebt gewesen. Hatte Josefin ihn abschicken wollen? Oder übergeben? Wenn Sie doch nur das Ergebnis der Spurensicherung hätte. Am Abend, hatte Per gesagt. Vorher sollte sie nicht anrufen und auch nicht vorbeikommen. Am Sergels Torg verließen alle den Bus. Sofi suchte sich einen Platz. Kjell glaubte, dass der Urheber des Briefes den Text abgeschrieben und dabei die Schrift nachgeahmt hatte. Es würde also schwer werden nachzuweisen, dass er wirklich von Josefin oder der Toten stammte. Und dann war da noch die Frage, ob der Brief für den Fall überhaupt etwas bedeutete. In Sofis Wohnung würde die Polizei noch ganz andere Dinge finden, und darunter gab es einiges, was durch reinen Zufall zu ihr geraten war. Beim Staubsaugen war sie vor einigen Tagen auf eine alte Visitenkarte gestoßen, die sie einmal in einem geliehenen Buch entdeckt und wegen des schönen Kupferstichs behalten hatte. Sie stammte von einem Mann mit dem Namen Axel Sonnevi. Verschwände Sofi, würde Axel ganz schön blöd schauen, wenn die Polizei bei ihm vor der Tür stand. Er müsste erklären, wann und warum er ihr die Karte gegeben und was er mit Sofi gemacht hatte. Der Bus war kurz vor der Haltestelle an der Drottninggatan in einen Sonntagsstau geraten, dass einem angst und bange werden konnte. Sofi begann, in dem Buch zu blättern, und verglich die Gedichte mit Hesperias Brief. Ich liege in der Dunkelheit bei dir. Süßer noch, wenn eine Decke die Liebenden verbirgt. So eine Verbindung fand sich zwischen vielen Gedichten. Sie hatte eine Idee, nahm das Telefon aus der Tasche und wählte Kjells Nummer.
     
    Linda erschien wortlos in der Küche und glitt auf ihren Stuhl. Es war eine sehr alte Angewohnheit der beiden, dass der Morgen ohne Sprache war, aus der Zeit nämlich, als Linda nur das Nötigste sprechen konnte und es noch nicht allein auf den Stuhl schaffte.
    Sie stützte den Kopf auf die Hände und sah aus dem Fenster. Etwas betrübte sie. Er streckte die Hand aus und streichelte ihr über die Schulter. Das galt den beiden Büchern, die am Abend aufgeschlagen auf dem Küchentisch gelegen hatten. Der Dichter hieß Asklepiades und hatte im dritten Jahrhundert vor

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