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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Sofi an ihren Schreibtisch. Herr Mäusler aus München hatte ihr geraten, es auch im Internet zu probieren, wo alte Bücher in Deutschland inzwischen gerne verkauft wurden. Aber auch schwedische Antiquariate waren im Internet sehr aktiv.

52
    Linda hatte ihr gesamtes Repertoire an Betrübnis aufgefahren. Seit dem Aufstehen saß sie auf ihrem Küchenstuhl und hatte die Knie zur Brust gezogen. Die Wärmflasche kam zur Anwendung, obwohl es bereits am frühen Vormittag so warm war, dass Kjell nach einer Tasse Kaffee im Schrank nach seiner Badehose suchte und es sich für ein Weilchen unten am Steg vor dem Haus gemütlich machte. Als er nach einer großen Schlaufe um die Spitze von Långholmen zurückkehrte, saß sie immer noch da und kritzelte in ihrem Skizzenblock. Auf dem Tisch hatten sich schmutzige Tassen, Teller und das Telefon angesammelt.
    Das Leben war wie immer ungerecht zu ihr gewesen. Sie hatte sich bloß um eine Freundin gesorgt und konnte sich nun nicht mehr in der Kunsthochschule blicken lassen. Kjell wiederholte zum dritten Mal, dass er nicht daran glaube, dass Linda heute auf Amelie treffen würde.
    »Und wenn doch? Die ist bestimmt sauer auf mich.«
    »Aber warum denn?«, log Kjell und beglückwünschte sich, dass er Linda nicht in vollem Umfang eingeweiht hatte. Die Wahrheit war nämlich noch viel schlimmer.
    Kjell räumte den Tisch ab und bereitete Seezunge als Mittagessen zu. Um zwölf Uhr klingelte es an der Tür. Nach einem Klageanruf von Linda hatte sich Cissi sofort auf den Weg gemacht. Cissis kinnlanges Haar schwang sich in einer Kurve nach vorn. Die oberen Strähnen hatte sie mit Spangen so um ihren Kopf herum befestigt, dass er dem ruhigen Zentrum eines Wirbelsturms glich.
    Linda schilderte ihrer Freundin die Ereignisse so, als hätte sie aus Versehen das Jüngste Gericht ausgelöst. Cissi fand es ganz und gar nicht unglücklich, was Linda da getan hatte, sondern ausgesprochen cobrastyle. Obwohl Cissi damit genau zu dem gleichen Urteil kam wie er, hatte erst sie kommen müssen, damit Linda sich überzeugen ließ. Für Kjell war der Zeitpunkt gekommen, ins Büro aufzubrechen. Gleich war es drei. Er versprach Linda, Fornell bald anzurufen und ein wenig zu sondieren.
    Im Büro erwarteten ihn Neuigkeiten. Barbro hatte ihre Schicht beendet und war nach Hause gefahren. Sofi saß an ihrem Schreibtisch und harrte auf die Ergebnisse ihrer ersten Streufahndung. Neben ihren Unterlagen hatte sie eine kleine mexikanische Pyramide aus Schokoladenriegeln errichtet.
    Barbro war es gelungen, mit Lovisa Segemarks Mutter in Norrland Kontakt aufzunehmen und zu erfahren, dass Lovisa den gesamten norrländischen Spätfrühling, den norrländischen Sommer und den norrländischen Frühherbst über als Fremdenführerin in der Steppe unterwegs war, also die gesamten sechs Wochen. Auch der Vater solle mit von der Partie sein, denn zusammen waren sie seit fünf Jahren Schwedens bestes Team im Orientierungslauf. Kjell war gut gelaunt und stellte sich laut vor, wie die rotbackige Lovisa in Lappentracht neben einem bärengroßen Mann stand und vom Steppenwind umspielt wurde.
    Sofi lachte. »Linda und du, ihr könnt ja auch mal beim Orientierungslauf mitmachen. Inzwischen ist der Kontakt zu Vater und Tochter wieder einmal abgebrochen. Aber die Mutter bestätigt Amelies Behauptung, dass Lovisa die Wohnung für die Zeit ihrer Abwesenheit vermietet haben soll.«
    Vom Sonnenschein in Fahrt gebracht, hielt Kjell seiner Assistentin einen Kurzvortrag über die Gefahren voreiliger Schlüsse, währenddessen Sofi die Pyramide abtrug und dann an der Schwelle, wo ihre Schreibtische sich berührten, aus den Schokoladenriegeln die Berliner Mauer nachbaute.
    Dass die Wohnung von Lovisa am Ende der Götgatan lag, hatte erst wilde Spekulationen in der Gruppe ausgelöst. Kjell zog die Schublade mit seinen Lackstiften heraus und konstruierte einen Teufelskreis an der Wandtafel. Er reichte von Lovisa zum Söderkrankenhaus und von da über Sesselja Ragnarsdóttir wieder zurück zu Josefin. Nun war die Götgatan allerdings eine lange Straße und das Söder ein Großkrankenhaus. Henning gesellte sich zu ihnen und schnappte sich den roten Stift, um den Teufelskreis mit einer seiner berüchtigten Zeitachsen zu durchbrechen. Sesselja war erst anderthalb Wochen nach Lovisas Abreise in Stockholm angekommen, und zwischen der Krankengymnastik und der Notaufnahme lagen vier Trakte. Wer schon einmal im Söderkrankenhaus gewesen war, wusste, dass ein Trakt

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