Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
wenig zum Bewußtsein. Die Stimme seiner Tochter hatte ihn aus dem Todesschlafe erweckt. Er schlug die Augen auf.
    »Clary!… murmelte er.
    – Mein Vater!… Ich bin es! antwortete Clary. Ich bin hier bei Dir!… Ich werde Dich nicht mehr verlassen.«
    Johann stand im Halbdunkel am Fußende des Lagers, als bemühte er sich, ungesehen zu bleiben. Der Blick des Verwundeten fiel auf ihn und seinen Lippen entschlüpften die Worte:
    »Johann!… Ach… ich entsinne mich!…«
    Dann bemerkte er Bridget, welche sich über seinen Pfühl niederbeugte, und seine Miene schien zu fragen, wer diese Frau sei.
    »Es ist meine Mutter, sagte Johann. Sie sind im Hause meiner Mutter, Herr de Vaudreuil… An ihrer Pflege und der Ihrer Tochter wird es ihnen nicht fehlen…
    – Ihrer Pflege!… wiederholte Herr de Vaudreuil mit schwacher Stimme… Ja, ja, jetzt kommt mir die Erinnerung wieder!… Verwundet!… Besiegt!… Meine Gefährten entflohen… todt… wer weiß es?… Ach, mein armes Vaterland… nun drückt Dich ein schlimmeres Joch als je zuvor!«
    Herr de Vaudreuil ließ den Kopf herabsinken und seine Augen schlossen sich wieder.
    »Mein liebster, liebster Vater!« rief Clary niedersinkend.
    Sie hatte seine Hand gefaßt und fühlte einen leichten Druck den ihrigen erwidern.
    Dann nahm Johann das Wort und sagte:
    »Es wäre recht nöthig, einen Arzt hierher zu holen; doch wo wollen wir einen finden und an wen uns in dem von den Königlichen besetzten Lande wenden?… Nach Montreal?… Ja, das böte noch den einzigen Ausweg. Nennen Sie mir den Arzt, zu dem Sie dort besonderes Vertrauen haben, und ich werde nach Montreal gehen…
    – Nach Montreal?… fiel Bridget ein.
    – Es muß sein, Mutter! Herrn de Vaudreuil’s Leben gilt mehr als das meinige!
    – O, für Dich fürchte ich ja nichts, Johann. Auf dem Wege nach Montreal kannst Du aber beobachtet werden, und wenn dann der Verdacht aufstiege, daß Herr de Vaudreuil hier ist, so wäre er verloren.
    – Verloren! murmelte Clary.
    – Er ist es nicht weniger, wenn er keine sachverständige Hilfe bekommt, antwortete Johann.
    – Ist seine Verwundung eine tödtliche, meinte Bridget, so wird ihn leider Niemand heilen. Ist sie es nicht, so wird Gott geben, daß wir, seine Tochter und ich, ihn retten. Seine Wunde rührt von einem Säbelhiebe her, der nur die Fleischtheile trennte. Herr de Vaudreuil ist gewiß nur durch den Blutverlust geschwächt. Es wird, hoffe ich, genügen, die Wunde bedeckt zu halten und Compressen mit kaltem Wasser aufzulegen, um eine Vernarbung herbeizuführen, die wir schon nach und nach erzielen werden. Glaube mir, mein Sohn, Herr de Vaudreuil ist hier in verhältnißmäßiger Sicherheit, und, soweit irgend ausführbar, ist es nothwendig, daß Niemand von seinem Versteck etwas erfährt.«
    Bridget sprach mit einer so lebendigen Ueberzeugung, daß diese als erste Wirkung in Clary wieder einen schwachen Hoffnungsstrahl wachrief. Vor Allem galt es entschieden, Niemand in das geschlossene Haus einzuführen. Das Leben Johanns ohne Namen hing davon ab, und nicht minder das des Herrn de Vaudreuil, denn wenn etwas von Beiden verlautete, konnte wohl Johann durch die Wälder der Grafschaft entfliehen und die amerikanische Grenze erreichen, nicht aber der aus Bett gefesselte Kranke.
    Uebrigens schien der Zustand des Verwundeten das Vertrauen, welches Bridget in dessen Tochter erweckt hatte, vom ersten Tage an zu rechtfertigen. Seit die Blutung gestillt war, blieb Herr de Vaudreuil, wenn auch immer sehr schwach, doch im Besitze des Bewußtseins. Was ihm vor Allem Noth that, war Ruhe des Gemüthes – diese fand er aber jetzt, da seine Tochter bei ihm weilte, neben der Ruhe des Körpers, und es schien, als ob ihm diese im geschlossenen Hause gesichert wäre.
    In der That sollten die Soldaten Whiterall’s nicht zögern, St. Charles zu verlassen, um die Grafschaft zu durchstreifen, und der Flecken sollte dann von ihrer Gegenwart befreit sein.
    Bridget richtete sich nun ein, um ihren Gästen in der beschränkten Wohnung mehr Bequemlichkeit zu bieten. Herr de Vaudreuil nahm das für Joann und Johann bestimmte Zimmer ein, wenn diese eine Nacht im geschlossenen Hause zubrachten. Das andere Zimmer, das Bridgets, wurde Clary eingeräumt. Beide wachten abwechselnd am Bett des Kranken.
    Was Johann angeht, so brauchte man sich weder um diesen noch um seinen Bruder Sorge zu machen für den Fall, daß in Folge der letzten Ereignisse der Abbé Joann zufällig bei seiner Mutter zum

Weitere Kostenlose Bücher