Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Montreals gerne die Familienwohnung von dem Geschäftshause. Nach dem Schlusse des letzteren begeben sie sich nach den nördlichen Stadttheilen, nach den Abhängen des Mont-Royal oder der kreisförmigen Allee, welche seinen Fuß umrahmt. Hier erheben sich Privatgebäude, die zuweilen das Aussehen von Palästen haben, neben in lauschigem Grün versteckten Villen. Außerhalb dieser wohlhabenden Quartiere sind die Irländer sozusagen in ihren Ghetto der St. Anna, an der Mündung des Canals von Lachine, am linken Ufer des St. Lorenzo eingezwängt.
    Herr Nick besaß recht ansehnliches Vermögen. Wie es die Vornehmen der Handelswelt thun, hätte auch er sich leicht wohl jeden Abend in eine der aristokratischen Wohnungen der oberen Stadt unter dem dichten Schatten von St. Antoine zurückziehen können. Er gehörte aber zu den Notaren alten Schlages, deren Horizont mit den Mauern ihrer Schreibstube zusammenfällt, und welche ihren Namen ganz besonders rechtfertigen, da sie Tag und Nacht Contracte, Urkunden und ihnen anvertraute Familienpapiere überwachen. Der Nachkomme der Sagamores wohnte also in seinem alten Hause des Marktplatzes Bon-Secours. Aus diesem trat er auch am Morgen des 3. September in Begleitung seines zweiten Schreibers, um den Wagen zu benützen, der regelmäßig den Dienst zwischen der Insel Montreal und der Insel Jesus versieht, welche beide durch einen Mittelarm des St. Lorenzo getrennt sind.
    Vorher begab Herr Nick sich nach dem Bankgebäude, wobei er breite, mit reichen Magazinen ausgestattete und von der Stadtverwaltung Montreals sorgsam gepflegte Straßen durchschritt. Vor dem Hotel der Bank angelangt, beorderte er Lionel, im Vorraume desselben zu warten, begab sich nach der Hauptcasse, kam nach Verlauf einer Viertelstunde wieder heraus und wendete sich nun nach dem Bureau des öffentlichen Fuhrwesens.
    Der betreffende Wagen war eines jener mit einem Zweigespann ausgerüsteten Gefährte, welche man in canadischer Sprache »Buggies« nannte. Diese Art Wurstwagen mit vielleicht weichen, jedenfalls haltbaren Federn, sind darauf eingerichtet, die sehr harten Landstraßen ohne Schaden auszuhalten. Sie können etwa ein halbes Dutzend Fahrgäste aufnehmen.
    »Ah, da ist ja unser Herr Nick! rief der Kutscher, als er von ferne den Notar bemerkte, der immer und überall mit dieser halb vertraulichen Anrede begrüßt wurde.
    – In eigener Person und in Begleitung meines Schreibers, antwortete Nick in dem ihm geläufigen gutmüthigen Tone.
    – Sie befinden sich doch wohl, Herr Nick?
    – Gewiß, Tom. Achtet nur darauf, Euch ebenso wohl zu befinden wie ich. Richtet Euch nicht durch Arzneimittelchen zu Grunde!…
    – Und auch nicht durch Aerzte, setzte Tom hinzu.
    – Wann fahren wir ab? fragte Herr Nick.
    – Sogleich.
    – Haben wir noch Gesellschaft im Wagen?
    – Bis jetzt nicht, erwiderte Tom, vielleicht aber kommt noch Jemand im letzten Augenblick.
    – Ich wünschte es… Ja, ich wünschte es, Tom! Ich plaudere gerne ein wenig unterwegs, und habe die Bemerkung gemacht, daß man, um plaudern zu können, nicht allein sein darf.«
    Aller Wahrscheinlichkeit nach sollte dieser so naiv ausgedrückte Wunsch des Herrn Nick aber unerfüllt bleiben. Die Pferde waren schon angespannt. Tom klatschte laut mit seiner Peitsche, doch kein Fahrgast fand sich im Bureau ein.
    Der Notar nahm also im Wagen auf der hinteren Bank Platz und Lionel setzte sich schnell neben ihn. Einen letzten Blick warf Tom nach beiden Richtungen der Straße hin, dann bestieg er seinen Sitz, ergriff die Zügel, pfiff seinen Thieren, und die rasselnde Maschine kam in Bewegung gerade zur Zeit, als einige Vorübergehende, welche Nick kannten – und wer kannte den vortrefflichen Mann auch nicht! – ihm noch glückliche Reise wünschten, was er durch eine dankende Handbewegung erwiderte.
    Der Wagen klomm nach den oberen Stadttheilen hinan in der Richtung nach dem Mont-Royal; der Notar schaute ebenso aufmerksam wie der Rosselenker nach rechts und nach links hinaus, wenn beide auch verschiedene Gründe dafür hatten. Es schien aber, als ob gerade an diesem Morgen kein Mensch das Bedürfniß habe, sich nach dem Norden der Insel befördern zu lassen, noch Herrn Nick gesprächsweise Antwort zu geben. Nein, nicht ein einziger Gesellschafter, und doch hatte der Wagen bereits die Ringpromenade erreicht, welche zu dieser Tageszeit noch menschenleer zu sein pflegte, und bewegte sich unter mäßigem Trabe seines Gespanns längs derselben weiter.
    Da rannte ein

Weitere Kostenlose Bücher