Die Familie ohne Namen
de Vaudreuil.
– Und wie soll ich sie anders aufnehmen?
– Die guten Leute werden auf ihrem Verlangen nicht bestehen, wenn sie einsehen, daß Sie sich gar nicht beeilen, sich nach dem Wigwam der Mahogannis zu begeben.
– O, da kennen Sie sie schlecht, rief Meister Nick. Sie und nicht darauf bestehen!… Die stöbern mich auch in Montreal auf! Sie werden mir zusetzen, daß ich Ihnen nicht entgehen kann. Sie belagern meine Thür!… Und was wird meine alte gute Dolly sagen?… Es ist gar nicht unmöglich, daß ich schließlich mit Mocassins an den Füßen und mit Federn auf dem Kopfe umherlaufe!«
Und der vortreffliche Mann, der eigentlich gar keine Lust zu lachen hatte, stimmte doch zuletzt in die Heiterkeit der Zuhörer ein.
Am schlimmsten war er aber doch bei seinem Schreiber daran. Aus schalkhafter Bosheit behandelte ihn dieser bereits, als habe er die Nachfolge des verstorbenen Huronen-Häuptlings schon angenommen. Er nannte ihn nicht mehr Meister Nick – Pfui! Er redete ihn nur noch in der dritten Person an, indem er sich der feierlichen Sprachweise der Indianer bediente. Und so wie es jedem Krieger in den Prairien zukommt, hatte er ihm die Wahl zwischen zwei Beinamen freigelassen, nämlich zwischen »Original-Horn« oder »Zarte Eidechse« – was doch mindestens den Namen »Falken-Auge« und »Lange Flinte« gleichkam.
Gegen elf Uhr trat im Hofe der Farm der Zug zusammen, der das Brautpaar begleiten sollte. Dieser wäre wahrlich werth gewesen, einen jungen Dichter zu begeistern, wenn Lionels Muse sich nicht eben mit mehr hochtrabenden Entwürfen beschäftigt hätte.
An der Spitze gingen Bernard Miquelon und Rose Harcher, einander an den kleinen Fingern führend und Beide bezaubernd und strahlend vor Freude; dann folgten Herr und Fräulein de Vaudreuil an der Seite Johanns; nach ihnen die Väter, Mütter, Brüder und Schwestern des jungen Ehepaares; endlich Meister Nick mit seinem Schreiber, geleitet von der Abordnung der Huronen. Der Notar hatte diese Ehre nicht abweisen können. Zum größten Leidwesen Lionels fehlte seinem Herrn nur das Costüm der Eingebornen, die Tätowirung des Körpers und die Bemalung des Gesichtes, um den Stamm der Sagamores würdig zu repräsentiren.
Die Feierlichkeit verlief mit dem ganzen Pomp, der die Stellung der Familie Harcher im Lande erheischte. Da gab es volltönendes Glockengeläute, Festgesang und Gebet, aber auch tüchtiges Knallen der Gewehre. Und gerade bei diesem geräuschvollen Flintenconcert betheiligten sich die Huronen mit einem Eifer und einer Uebereinstimmung, daß Nathaniel Bumpoo, der berühmte Freund der Mohikaner, ihnen seine Anerkennung nicht hätte versagen können.
Nachher kehrte der Zug wieder zur Farm zurück. Dieses Mal führte der junge Ehemann Rose Miquelon aber am Arm. Kein Zwischenfall hatte die Festlichkeiten des Vormittags gestört.
Jeder belustigte sich nun nach Belieben. Vielleicht hatte nur Meister Nick einige Mühe, seine Mahoganni-Brüder zu verlassen, wenn er in Gesellschaft seiner canadischen Freunde ein wenig Luft schöpfen wollte, und kleinlauter als je wiederholte er gegen Herrn de Vaudreuil ohne Unterlaß:
»Ich weiß wahrhaftig nicht, wie ich mich von diesen Wilden losmachen soll!«
Wenn inzwischen Einer viel beschäftigt, überlastet war und von Mittag bis um drei Uhr, die Stunde, wo nach altem Herkommen das Hochzeitsmahl bereit stehen mußte, mit nicht immer zarten Worten noch mehr aufgemuntert wurde, so war das Thomas Harcher. Wohl bemühten sich Catherine sowie ihre Söhne und Töchter, ihm zu helfen; die mancherlei Sorgen, welche eine Festtafel von solcher Ausdehnung ihm auferlegte, ließen ihm aber doch keine Minute Ruhe.
In der That waren es nicht allein sehr viele begehrliche Magen, die es hier zu befriedigen galt, sondern man mußte auch dem verschiedensten Geschmacke Genüge zu thun suchen. Der Speisezettel enthielt in Folge dessen die ganze Sammlung gewöhnlicher und außergewöhnlicher Gerichte, welche die canadische Küche ausmachen.
Auf der ungeheuren Tischreihe – an der hundertfünfzig Gäste Platz nehmen sollten – lagen ebenso viele Löffel und Gabeln in weiße Servietten gewickelt, und stand vor jedem Teller ein metallener Becher. Messer gab es nicht, da sich Jeder mit dem zu bedienen hatte, welches er in der Tasche führte; Brot auch nicht, da bei Hochzeitsschmäusen nur eine Art Ahornzuckerkuchen zulässig ist. Zahlreiche Schüsseln, welche wir noch eingehender anführen werden, standen schon mit
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