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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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niemand von ihrer Übernachtung hier weiß. Deshalb kommt niemand hierher, um Fragen zu stellen, wenn sie vermisst wird. Sie ist perfekt. Also gebe ich ihr Zimmer 115. Siehst du das hier?« Er zog eine gefaltete Karteikarte aus der Hemdtasche. »Das ist ihre Anmeldekarte. Ich verbrenne sie, dann gibt es keine Aufzeichnung darüber, dass sie überhaupt hier war.«
    Dad stand auf. Er stellte den Aschenbecher auf den Schreibtisch und wandte sich zu Kyle. »So wird das gemacht. Man muss eine Frau finden, die nicht zum Hotel zurückverfolgt werden kann. Das macht neunundneunzig Prozent der Kunst aus. Beim verbleibenden Prozent geht es darum, sich nicht bei der Sache selbst erwischen zu lassen. Das ist nicht besonders schwierig. Schnapp dir ihren Koffer.«

11
    Kyle nahm ihren Koffer. Sein Vater hob Amys eingepackten Körper vom Bett und legte ihn sich wie ein Feuerwehrmann über die Schulter. »Noch eine Regel«, sagte Dad, als er mit seiner Last losging. »Achte darauf, dass die Augen nicht größer sind als der Magen. Bring keine um, die du nicht tragen kannst. Es ist nicht einfach, die Schlampen durch die Gegend zu schleppen.« Er trat durch die Öffnung, in der sich der Spiegel befunden hatte.
    Kyle folgte ihm.
    »Normalerweise«, sagte Dad, »würde ich sie hier auf dem Stuhl absetzen, während ich mich davon überzeuge, dass die Luft rein ist. Aber jetzt kannst du vorgehen und nachsehen.« Er nickte zur Tür des Lagerraums. »Wirf einen Blick in den Korridor und ins Treppenhaus. Zu dieser Nachtzeit läuft niemand durch die Gegend, aber Vorsicht macht sich bezahlt.«
    Kyle stellte den Koffer ab und öffnete die Tür. Der lange, schwach beleuchtete Flur schien leer zu sein. Er trat hinaus und eilte die paar Meter zur Feuertür. Er stieß sie auf, sah die Treppe hinauf und hinunter, lauschte einen Augenblick und lief dann zurück zum Lagerraum. »Alles klar«, sagte er und hob den Koffer wieder auf.
    Er hielt die Tür auf und war überrascht, mit welcher Geschwindigkeit sein Vater den frei einsehbaren Gang durchquerte. Kyle zog die Lagerraumtür zu, vergewisserte sich, dass sie abgeschlossen war, und eilte zum Treppenhaus.
    Dad war schon unten und drückte die Ausgangstür auf.
    Bringt er sie nach draußen?
    Er weiß, was er tut, sagte Kyle sich. Bestimmt.
    Kyle stieg die vier Treppen hinab und folgte seinem Vater durch die Tür.
    Der Cadillac stand dort, mit bereits geöffnetem Kofferraum.
    Dad beugte sich vor. Der Körper rutschte von seinen Schultern und fiel in den Kofferraum. Das Auto wackelte ein wenig bei dem Aufprall. Sein Vater nahm ihm den Koffer ab und warf ihn neben dem Körper hinein. Dann klappte er den Deckel hinunter und drückte ihn nahezu geräuschlos ins Schloss.
    Er lehnte sich gegen das Heck und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das war nicht so schwierig, oder?«
    »Wir sind hier im Freien, wo uns jeder sehen kann«, flüsterte Kyle.
    »Ach ja? Guck dich mal um.«
    Kyle musste sich nicht umsehen; er war schon unzählige Male hier gewesen. Sie hatten den Körper aus der Feuertür am Ende des Ostflügels gebracht. Das Auto stand sehr dicht an der Tür, aber …
    Dad zeigte auf das Hotel. »Keine Fenster auf dieser Seite«, sagte er. »Das war so geplant. Und da drüben Hecken.« Er wies auf das andere Ende der Einfahrt. Dann zeigte er auf die Reihen von dichten, hohen Büschen zu beiden Seiten. »Die versperren jedem die Sicht, der zufällig von vorn oder hinten durch die Einfahrt spaziert. Es scheint also nur so, als wären wir hier ungeschützt. Wenn uns jemand sehen kann, dann nur, wenn er genau über uns ist.«
    »Was, wenn das passiert?«
    »Bis jetzt ist es noch nie vorgekommen.«
    »Aber …«
    »Ich nehme an, wenn mich jemand sehen würde, würde ich ihn töten.«
    Dad griff hinter seinen Rücken unter den herabhängenden Saum des Hemds und zog einen Revolver hervor. »Lebensversicherung.« Er steckte die Waffe zurück an ihren Platz. »Komm, lass uns weitermachen.«
    Sie stiegen ins Auto. Dad ließ den Motor an und fuhr mit ausgeschalteten Scheinwerfern, bis sie die erste Kurve hinter sich gelassen hatten. Zwischen ihnen und dem Hotel standen Bäume am Straßenrand. Die Scheinwerfer leuchteten auf und schnitten helle Tunnel in die Dunkelheit.
    »Wohin fahren wir?«
    »Nicht weit.«
    »Hast du einen speziellen Ort, an dem …?«
    »Sehr speziell.« Am Übergang für das Vieh bog Dad auf die unbefestigte Straße. Er stieg aus, entfernte das Schloss und die Kette vom Tor, schwang es auf

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