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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Frauen«, sagte Beth.
    Jim lachte.
    »Geht’s ihm gut?«, fragte Carol mit besorgter Stimme.
    Greg war noch unter Wasser. Dann schoss sein Kopf durch die Oberfläche. Er verdrehte die Augen und ließ Was ser aus dem Mund spritzen. Der dünne Strahl beschrieb einen Bogen über den Bug und traf Darcy am Kinn. Wasser lief an ihrem Hals hinab. Kreischend umklammerte sie ihre Kehle, doch ein paar Tropfen waren bereits unter den Anorak gelaufen. Wie geschmolzener Schnee glitten sie über die warme Haut, und Darcy schlug mit der Hand zwischen ihre Brüste, als wollte sie Glutstückchen ausdrücken.
    Greg sah mit einem albernen Grinsen zu ihr auf.
    Als Darcy sich über das Wasser beugte, drückte das metallene Dollbord gegen ihre Rippen. Sie packte Greg bei den Ohren, zog ihn sanft näher und küsste ihn auf den Mund. »Das ist dafür, dass ich dich untergetaucht habe«, flüsterte sie. »Verzeihst du mir?«
    »Ich brauche dir nicht zu verzeihen – wir sind quitt.«
    Sie lehnte sich zurück und hielt wieder seine Hände.
    Das Boot bewegte sich leise vorwärts, und es war nichts zu hören als das Murmeln des Wassers, das den Rumpf umspielte. Jim hielt die Fackel niedrig. Die verkohlte Spitze berührte fast das Wasser neben Greg. Das zerbrochene Brett brannte noch immer in der Mitte, die Flammen klammerten sich an eine Seite wie Finger auf der Suche nach Halt. Das Licht schwankte, wurde stärker und schwächer, während die Flamme ums Überleben kämpfte. Eine goldene Aura umgab das Feuer, ließ Gregs nasse Haut glänzen, verteilte eine dünne Schicht Helligkeit über das Wasser neben ihm und hing in der Luft wie feiner Nebel. Darcy konnte die Höhlenwand zu ihrer Rechten kaum erkennen, denn sie lag beinah außerhalb des Scheins. Sie kannte jeden Zentimeter der Höhle, doch das flackernde Licht und die Schatten gaben ihr einen fremdartigen Anstrich, der Darcy irgendwie verunsicherte.
    Lass dich davon nicht irritieren, sagte sie sich. Es ist dieselbe alte Wand.
    Sie wirkte lebendig .
    Eine Gänsehaut kroch über ihren Körper.
    Das ist lächerlich. Deine Fantasie spielt dir Streiche. Sie erinnerte sich an andere Gelegenheiten, bei denen sie so empfunden hatte: als sie nach einem gruseligen Film ins Auto stieg und das Gefühl hatte, jemand hockte hinter ihrem Sitz; als sie spät in der Nacht las und plötzlich Angst hatte, zum Fenster zu sehen, weil sie sicher war, dass sich ein Gesicht dagegendrückte; als sie badete und ein leises Geräusch irgendwo im Haus hörte; als sie nachts aufstand, um zur Toilette zu gehen, und fürchtete, einer der Schatten würde hervorspringen und über sie herfallen. Nur Streiche, die uns das Bewusstsein spielt, um uns zu quälen und erschaudern zu lassen.
    Darcy wollte ihren Blick von der Wand abwenden, doch sie hatte auch Angst, nicht hinzusehen.
    »Ich glaube, dieser kleine See ist seit dem letzten Mal gewachsen«, sagte Greg.
    Seine Stimme verscheuchte Darcys Furcht.
    Sie sah zu ihm hinab. Sie legte ihre Finger um seine Handgelenke. »Wir müssen fast …«
    Dunkelheit hüllte sie ein. Jemand hinter ihr keuchte. »Scheiße«, murmelte Jim.
    Wo eben noch die Fackel gewesen war, leuchtete nun nur noch ein undeutlicher roter Fleck. Er bewegte sich nach unten. Darcy hörte ein Pusten. Das Rot wurde heller. Eine winzige Flamme züngelte durch die Dunkelheit, dann wurde sie kleiner. Jim blies weiter auf die Glut. Der rote Schein schwoll an und ab, doch mit jedem Pusten wurde er schwächer.
    »Um Gottes willen«, flüsterte Helen. »Darcy, Sie haben doch eine Taschenlampe.«
    »Kein Problem«, sagte sie. Sie zog die Taschenlampe vom Gürtel und schaltete sie ein. Der Strahl schoss durch die Dunkelheit, blass und kalt nach dem weichen Licht der Fackel. Der helle innere Kreis erfasste die Teufelsboje, die sich gerade einmal zwei Meter hinter Gregs Rücken befand.
    »Pass auf, wo du hingehst«, sagte Darcy.
    Greg blickte über die Schulter. »Hoppla.« Er machte einen Schritt zur Seite und drehte das Boot, sodass es zwischen der kleinen, schartigen Insel und der Höhlenwand hindurchschwimmen konnte.
    »Hier ist Tom gestürzt«, sagte Beth.
    »Ja, das ist die Stelle.« Darcy hob die Taschenlampe. Der Lichtstrahl schnitt einen hellen Tunnel durch die Schwärze und endete an Elys Mauer.
    Heute erinnerte sie eher an eine Tür als an eine Mauer – eine Tür aus Gestein und Beton.
    Darcy vermutete, dass Ely diese Stelle für seine Absperrung ausgesucht hatte, weil die Natur es ihm hier leichtgemacht hatte.

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