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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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der Wilde Mann ihn manchmal in seinen Albträumen heimsuchte.
    Während er in das Gesicht des toten Wilden starrte, hatte er das Gefühl, zurück in seine Kindheit zu gleiten.
    Schauder krochen über seinen Rücken.
    »Der Wilde Mann von Borneo«, murmelte er. »In Fleisch und Blut.«
    »Ist es einer von ihnen?«, fragte Chris mit gepresster hoher Stimme.
    »Genau wie das Mädchen.« Er tauchte den Kopf ins Wasser und schob. Die Leiche schwamm davon, mit den Füßen voran. Hank wischte seine Hand an der Jogginghose ab. Danach schien sie immer noch von einem öligen Film bedeckt.
    Sie gingen weiter.
    Er hielt die Hand unter Wasser, rieb sie weiter an der Hose.
    Er wünschte, er hätte ein Stück Seife.
    Vergiss es, sagte er sich. Der Mann hatte also schmutziges Haar. Und wenn schon. Vor fünf Minuten hast du noch bis zu den Handgelenken in den Eingeweiden eines toten Mädchens gesteckt.
    Aber das hier. Eigentlich eine Kleinigkeit.
    Als entdeckte man das Haar eines Fremden in der Suppe.
    »Ich frage mich, wie viele andere …«, sagte Chris. Sie blickte sich um.
    Falls noch welche unter Wasser treiben wie der Mann gerade, sehen wir sie nicht einmal, dachte Hank. Nicht, bis wir direkt über ihnen sind.
    Diejenigen, die genügend Wasser in der Lunge hatten, würden unter der Oberfläche bleiben, bis sie zu verwesen begannen und die Gase ihre aufgeblähten Kadaver nach oben trieben.
    »Wenigstens war es ein Toter von der richtigen Seite«, sagte Hank.
    »Sie könnten überall um uns herum sein«, flüsterte sie.
    »Je mehr von seiner Sorte und im gleichen Zustand, desto besser.«
    »Es ist … fast noch schlimmer als der andere Ort.«
    Hank wusste, dass sie die Galerie des Wahnsinnigen meinte. Sie hatte recht. Dort konnte man die Dinge wenigstens sehen.
    Und dort war es Hank nie durch den Kopf gegangen, dass eine der Leichen seine Tochter sein könnte.
    Sie könnte hier sein.
    Nein!
    Es geht ihr gut. Und Darcy geht es auch gut. Andere wurden getötet, aber nicht unsere Töchter. Der Horror endet hier. Es muss einfach so sein.
    Hank ließ wie Chris den Blick über die Wasseroberfläche schweifen.
    Und dann entdeckte er am Rand des Lichtscheins der Laterne das stumpfe Schimmern eines rechteckigen Boots. Noch ein paar Schritte, und der Steg kam in Sicht.
    Chris stöhnte.
    Sie sah es ebenfalls – eine weitere Leiche. Diese lag flach auf den Planken des Stegs.
    Kaltes Grauen ergriff Hank.
    Sie wateten näher heran.
    Der Körper einer Frau. Nackt. Aufgerissen.
    Gesichtslos aus der Ferne und im schwachen Licht.
    Sie schien größer und dünner als Paula, aber …
    Kleider lagen neben ihr verstreut.
    Eine weiße Bluse und ein Kilt? Eine blaue Uniform?
    Er konnte es einfach nicht genau erkennen!
    Chris begann zu weinen.
    Hank stürmte vorwärts, stemmte sich gegen das hüfthohe Wasser, versuchte zu rennen. Das Wasser drückte gegen ihn wie Hände, die ihn zurückhalten wollten. Doch er watete näher und näher, ließ Chris hinter sich zurück.
    Die Kleider.
    Eine blaue Stoffhose lag zerknüllt neben der Hüfte der Leiche.
    Nicht Paulas Kilt. Aber eine Hose, wie Darcy sie trug.
    O Gott, nein!
    »Chris, bleib da!«
    »Was ist?«
    Er watete mühsam am Bug des Boots vorbei, knallte die Laterne auf den Steg und stemmte sich aus dem Wasser. Auf allen vieren kroch er zur Leiche hinüber. Im Fleisch klafften tiefe Wunden, als wären Stücke herausgebissen worden. Der linke Arm war ausgekugelt und teilweise angefressen.
    Das Gesicht war unversehrt.
    Ein Gesicht, das in einer Grimasse des Grauens erstarrt war.
    Ein Gesicht, das niemals schön gewesen war – wie Chris’ oder wie das, das ihre Tochter von ihr geerbt haben musste .
    Und es war das Gesicht einer Frau, die auf die vierzig zuging.
    Hank stieß einen langen zittrigen Seufzer aus.
    Er blickte über die Schulter. Chris war ein paar Meter entfernt, eine verschwommene Gestalt im schwachen Licht, das sie von der Laterne erreichte.
    Hank war erleichtert – sie hatte getan, worum er sie gebeten hatte, und war stehen geblieben.
    »Alles in Ordnung«, sagte er.
    Alles in Ordnung? Die Frau ist tot. Sie haben sie gefressen. Und alles ist in Ordnung?
    »Keine unserer Töchter«, erklärte er.
    Chris nickte und kam näher. Da er nicht wollte, dass sie sah, wie die Leiche zugerichtet war, legte Hank den zerfetzten Arm an den Körper. Er bedeckte die Tote von der Hüfte abwärts mit der Hose und breitete die Bluse über dem Oberkörper aus. Er versuchte nicht, das Gesicht zu verbergen.
    Dann

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