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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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den Finger wickeln ließ wie von den eigenen rotlackierten Söhnen? Doch diesen Ressentiments standen andererseits sehr freundliche Familienbilder gegenüber, die von Illustrierten, Boulevardblättern und eher linksliberalen Zeitungen gepflegt wurden.
    Jenseits dieser zugeschriebenen Bilder und grassierenden Vorurteile, jenseits dieser öffentlich zugewiesenen Rollen musste jeder der Brandts seinen eigenen Weg finden, sein eigenes Selbstverständnis suchen. Die größte Last fiel dabei sicherlich Rut Brandt zu, denn sie repräsentierte die Frau an seiner Seite, aber auch die Familie, sie musste, das war gleichsam Staats- und Parteiräson, eine fabelhafte Kanzlergattin sein, aber auch eine gute Mutter und Kameradin, und nicht zuletzt war sie die Landesmutter, die dem Land und dem Ausland ihr optimistisches Lächeln zeigen sollte. Dieses Zuversichtsgesicht war immer im Dienst, ganz gleich ob das Fest eines Kleingartenvereins besucht oder ein Staatsgast empfangen wurde. Herzen erobern für Willy, tanzen für die SPD und lächeln für Deutschland.
    Als Brandt am 21. Oktober 1969 zum Bundeskanzler gewählt wurde, saß seine Frau auf der Besuchertribüne des Bundestages und »zerdrückte eine Träne«. Es war ihr zuwider, in der Öffentlichkeit Gefühle zu zeigen, die von der Politik in Dienst genommen werden konnten, auch eine große Portion Unsicherheit bestimmte ihr Verhalten, denn sie hatte gelernt, dass die Politik überhaupt, aber vor allem in diesem Land ein vermintes Gelände war, in dem man vorsichtig aufzutreten hatte. Was sie innerlich bewegte, versteckte sie meistens hinter einer Miene patenter Heiterkeit. Sie legte sich eine zweite und dritte Haut zu. In Köln fand sie den Prominentenfrisör Heinz Merges, der ihre mädchenhafte Frisur zu einem auffallend hochtürmenden Löwenhaupt veränderte, so dass ihr eher zierlicher Kopf weitaus größer wirkte. Dass Kleidung auch eine Sprache sein kann, ein Statement, ein Ausdruck, aber auch eine schützende Hülle, hatte Rut Brandt nicht erst in Berlin gelernt. Seit frühester Kindheit war sie angehalten, sich hübsch zu kleiden, um gegenüber dem forschenden Blick jedes Verdachtsmoment, etwas könne nicht in Ordnung sein, abzuwehren. In Bonn war es vor allem der Berliner Modeschöpfer Uli Richter, der für ihre Garderobe verantwortlich war. Von 1970 bis 1974 kleidet er sie exklusiv bei allen Staatsbesuchen ein. Sein Stil, orientiert am internationalen Geschmack, war auf der Höhe der Zeit, er war sachlich und anmutig, leger, aber auch repräsentativ, verspielt, aber nicht versponnen, er war kess, unsentimental, aber nicht frech und forsch.
    Rut Brandt, die schon 1959 an der Seite ihres Mannes in den USA geglänzt hatte, wiederholte dieses Kunststück 1970, als sie mit ihrem Mann die Vereinigten Staaten besuchte. Im Mai 1970 brachte die Frauenzeitschrift »Jasmin« eine ausführliche und reich illustrierte Reportage unter dem Titel »Charme ist eine feine Waffe«, die Rut Brandt, ihrem Auftreten und ihrem Geschmack huldigte. Der Reporter Mainhardt Graf Nayhauß schilderte, wie Rut Brandt im amerikanischen Außenministerium empfangen wurde, wo »24 Frauen einflussreicher Männer« sie willkommen hießen: »Die meisten der 24 Ladys sahen die Frau des deutschen Bundeskanzlers zum ersten Mal. Nach Fräuleinwunder, Kessler-Zwillingen und Elke Sommer waren sie erneut gehalten, ihre Vorstellung von der deutschen Frau zu ändern. Hatten bisher CDU-Muttis vom Typ Luise Erhards und Marie-Luise Kiesingers die Gattung der deutschen Politikerfrau repräsentiert, so zeigte sich den Amerikanerinnen jetzt eine Dame, die – würde sie in Washington leben – vermutlich bald von den amerikanischen Modejournalen zu den zehn bestangezogenen Frauen der Welt gezählt werden würde.« Nachdem also Rut Brandt offenbar tiefen Eindruck auf die amerikanische Damenwelt gemacht hatte, nahm sie es später in Angriff, den dazugehörigen Herren den Kopf mit ihrem saloppen Charme zu verdrehen: »Als am Abend desselben Tages beim Diner im Weißen Haus auch die Ehemänner der 24 Society-Damen die Gattin des deutschen Kanzlers sahen, erlebten sie eine Frau, die nicht nur in ihrer rosafarbenen Abendtoilette hinreißend schön aussah; sie erlebten auch eine Frau, die einiges von der Kunst des Flirts verstand: eines Flirts, der etwas von der Frische einer Mentholzigarette hatte, aber auch etwas von Ironie. Zu Präsident Richard Nixon sagte Rut Brandt: ›Wenn Sie wüssten, wie gut ich mich mit Ihnen

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