Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
sah aus wie Charon, der düstere Fährmann, und erinnerte mich an … die Hölle.
Nachdem wir einige Minuten ohne den geringsten Zwischenfall vorangekommen waren, stellte ich erleichtert fest, dass wir bereits die Hälfte des Flusses überquert hatten. Doch in diesem Augenblick bemerkte ich erneut den geschuppten Rücken eines Geschöpfes, das sich augenscheinlich für uns interessierte. Die Equineds spürten die Bedrohung und wurden nervös. Ergonthes Tier trat mir unabsichtlich mit dem Knie in den Rücken, sodass ich vor Schmerz aufschrie und auf den Boden des Kahns fiel.
»Pst!«, schimpfte Ergonthe, ohne sich umzudrehen, so konzentriert war er auf seine Aufgabe.
Ich verzog vor Schmerz das Gesicht und stand auf, um mich wieder auf die Bank zu setzen. Böser Fehler! Das Boot neigte sich zwar nur leicht, aber es reichte aus, um die Equineds in Angst zu versetzen. Sie verstärkten das Schwanken und dann … Mit ausgestreckten Armen und angstverzerrtem Mund verlor ich das Gleichgewicht und ging über Bord. Es war, als würde ich in ein Eisbad fallen. Zum Glück war das Wasser des Schwarz so dickflüssig, dass ich nicht ganz darin versank und daher nichts davon schluckte. Von wegen Wasser - eher Altöl, das nach Schwefelsäure roch. Sicher konnte es einem die Eingeweide verätzen wie das Blut des Monsters aus Alien . Ich drehte mich um und klammerte mich am Bootsrand fest. Und begann zu rufen … Sagte ich rufen? Ich begann zu schreien! Ergonthe drehte sich blitzschnell um und schnappte sich ein Ruder, das auf dem Boden des Kahns lag.
»Nicht zappeln!«, riet er mir.
Ebenso hätte man einen Zoobesucher, der ins Krokodilbecken gefallen ist, bitten können, eine Arie zu trällern, während er auf Hilfe wartet. Meine Vernunft war bereits dahin. Ich war nur noch ein Aufziehmännchen unter hunderttausend Volt. In diesem Moment merkte ich, dass sich Ergonthes Gesichtsausdruck änderte. Ich erstarrte, warf einen Blick über meine Schulter … und riss vor Schreck die Augen auf. Ein Ungeheuer! Ein Ungeheuer, von dem nur ein dreieckiger, stacheliger Reptilienkopf zu sehen war. Es raste direkt auf mein Hinterteil zu. Ich strampelte noch hektischer. Plötzlich spürte ich, wie ich aus dem Wasser gezogen und wie ein harpunierter Thunfisch von einem Fischer ins Boot geworfen wurde - und genauso zappelte ich auch. Die Equineds bewegten sich ebenfalls unruhig, und ich bekam ein paar Krallen zu spüren. Dann wurde es still.
Wie ein Kind, das aus einem Albtraum erwacht, setzte ich mich auf und blickte mich benommen um. Ergonthe stand wieder im Bug und zog schweigend und wachsam am Tau. Von mir troff flüssiger Teer herab, und ich zitterte am ganzen Leib, aber immerhin lebte ich noch! Dann sah ich das Ruder neben mir liegen. Das, was von seinem Blatt übrig geblieben war, war zerquetscht, zerborsten, zerfetzt. Als mir klar wurde, dass das auch mein Bein hätte sein können, wurde ich fast ohnmächtig.
DER TURM DES GROSSEN SPÄHERS
A n den Rest der Reise zum Turm des Großen Spähers kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Nicht weil sie so langweilig gewesen wäre. Aber mein Sturz in den Styx hatte mir nicht nur das Blut in den Adern gefrieren lassen, sondern anscheinend auch die Sinne benebelt.
Kurz vor unserer Ankunft erklärte mir Ergonthe, dass der Turm seinen Namen den besonderen Fähigkeiten eines Herrenbruders verdanke, der früher dort wohnte. Er konnte seinen Geist wie eine Überwachungskamera auf einer Drohne durch das Königreich schweifen lassen. Außerdem konnte er mit einem Quecksilberspiegel, Schale des Schicksals genannt, die Zukunft vorhersagen. Er bekam den Beinamen Großer Späher und machte es sich zur Aufgabe, die Schwarzen Welten zu überwachen, um seine Brüder vor einem drohenden Angriff warnen zu können. Nach seinem Tod wurde das Gebäude zum Wachturm des Königreichs der sieben Türme. Hier wurde die berühmte Wahrsageschale sorgfältig aufbewahrt und hier ging der Legende nach der Geist des Großen Spähers um. Ergonthe fügte hinzu, dass der Turm seit Generationen immer von einem Herrenbruder mit einem bestimmten Talent bewohnt worden war - sei es
die Hellseherei, strategisches Geschick oder die Fähigkeit, den Anblick des Schändlichen (der herrschenden Instanz der Schwarzen Welten) zu ertragen. Jetzt begriff ich, warum mein Fremdenführer unbedingt diesen Herrenbruder zu Rate ziehen wollte.
»Wie ist der aktuelle denn so?«, wollte ich wissen.
»Sehr groß«, antwortete Ergonthe, einsilbig wie
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