Die Farbe der Gier
Fenston, »aber die Krantz wartet am Flughafen auf sie. Gehen Sie also nicht davon aus, dass sie in derselben Maschine sitzt.«
Leapman hörte das Klicken in der Leitung. Fenston verabschiedete sich nie. Leapman stieg aus dem Bett, nahm sein Adressbuch zur Hand und blätterte zu dem Buchstaben P. Er sah auf seine Uhr und wählte ihre Büronummer.
»Ruth Parish.«
»Guten Morgen, Ms. Parish. Hier spricht Karl Leapman.«
»Guten Morgen«, erwiderte Ruth vorsichtig.
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»Wir haben unser Gemälde gefunden.«
»Sie haben den van Gogh?«, rief Ruth.
»Nein, noch nicht. Darum rufe ich Sie an.«
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Das Gemälde befindet sich im Frachtraum einer Maschine aus Bukarest und sollte kurz nach 16 Uhr direkt vor Ihrer Haustür landen.« Er schwieg kurz. »Sorgen Sie einfach dafür, dass Sie es in Empfang nehmen.«
»Ich werde dort sein. Wessen Name steht auf der Frachtliste?«
»Wen kümmert’s? Es ist unser Bild und es ist in Ihrer Kiste.
Sorgen Sie einfach dafür, dass Sie es kein zweites Mal verlieren.«
Leapman legte auf, bevor sie protestieren konnte.
Ruth Parish und vier ihrer Träger standen auf dem Rollfeld bereit, als Flug 019 aus Bukarest in Heathrow landete. Sobald das Flugzeug zum Ausladen freigegeben wurde, näherte sich die kleine Wagenkolonne, die aus dem Auto des Zollbeamten, Ruths Range Rover und einem Sicherheitslieferwagen von Art Locations bestand, und parkte 20 Meter vom Frachtraum entfernt.
Wenn Ruth nach oben geschaut hätte, hätte sie Annas lächelndes Gesicht in dem winzigen Fenster am hinteren Ende des Flugzeugs gesehen. Aber sie sah nicht nach oben.
Ruth stieg aus ihrem Wagen und ging zu dem Zollbeamten.
Sie hatte ihn zuvor davon in Kenntnis gesetzt, dass sie ein Gemälde von einem ankommenden Flug zum Weiterflug umladen wollte. Der Zollbeamte hatte gelangweilt geschaut und sich gefragt, warum sie einen hochrangigen Beamten für eine solche Routineaufgabe auswählte, bis sie ihm im Vertrauen den Wert des Gemäldes verriet. Sein Personalgespräch stand in drei Wochen an. Wenn er diese einfache Übung verbockte, könnte er 293
den zusätzlichen Silberstreifen vergessen. Ganz zu schweigen von seiner Gehaltserhöhung.
Als die Frachttüren schließlich geöffnet wurden, traten beide zusammen ein, aber nur der Zollbeamte sprach den Frachtleiter an.
»Es befindet sich eine rote Holzkiste an Bord …« Er sah auf sein Klemmbrett. »… einen Meter mal eineinhalb Meter. Zu beiden Seiten ist das Logo von Art Locations angebracht und in allen vier Ecken ist die Zahl 47 aufgemalt. Ich möchte, dass die Kiste vor allen anderen Sachen entladen wird.«
Der Frachtleiter gab die Anweisung an seine beiden Männer im Frachtraum weiter, die in der Dunkelheit verschwanden. Als sie wieder auftauchten, war Anna bereits auf dem Weg zur Passkontrolle.
»Das ist sie«, bestätigte Ruth, als die beiden Frachtarbeiter am Rand des Frachtraums mit einer roten Kiste auftauchten. Der Zollbeamte nickte. Ein Gabelstapler fuhr heran, zog die Kiste fachmännisch aus der Halterung und senkte sie zu Boden. Der Zollbeamte studierte den Frachtschein, prüfte das Logo und sogar die aufgemalten Zahlen.
»Es scheint alles in Ordnung zu sein, Ms. Parish. Wenn Sie hier unterschreiben würden.«
Ruth unterschrieb, konnte aber die Unterschrift auf den Originalladepapieren nicht erkennen. Der Blick des Zollbeamten heftete sich auf den Gabelstapler, der die Kiste zu dem Lieferwagen von Art Locations fuhr, wo zwei von Ruths Trägern die Kiste umluden.
»Ich muss Sie trotzdem bis zum Flugzeug begleiten, Ms.
Parish, damit ich bestätigen kann, dass die Kiste zum Weiterflug umgeladen wurde. Erst dann kann ich die Freigabe
unterzeichnen.«
»Natürlich«, sagte Ruth, die dieselbe Prozedur zwei oder drei Mal täglich durchführte.
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Anna hatte bereits das Gepäckband erreicht, als der Sicherheitswagen seine kurze Fahrt von Terminal drei zu Terminal vier antrat und vor dem United Airlines Flugzeug nach New York zum Stehen kam.
Der Art Locations Wagen musste über eine Stunde auf dem Rollfeld warten, bevor der Frachtraum geöffnet wurde.
Mittlerweile kannte Ruth die Lebensgeschichte des Zollbeamten und wusste sogar, auf welche Schule er sein drittes Kind schicken würde, falls er befördert werden sollte. Ruth beobachtete den ganzen Vorgang in umgekehrter Reihenfolge.
Die Türen des Sicherheitswagens wurden aufgeschlossen, das Gemälde auf einen Gabelstapler geladen, zum Frachtraum
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