Die Farbe der Gier
durch das Drehkreuz zu schwanken. Der Beamte starrte ihr nach. Nie zurückschauen. Die Krantz lächelte Nina zu und hakte sich bei ihr unter, während sie auf den Ausgang zugingen. Endlich richtete der Beamte seine Aufmerksamkeit auf den Co-Piloten, der als Nächster anstand.
»Fährst du mit uns im Bus?«, fragte Nina, als sie aus dem Flughafengebäude auf den Bürgersteig schlenderten.
»Nein«, meinte die Krantz, »mein Freund holt mich ab.«
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Nina schien überrascht. Sie verabschiedete sich, bevor sie die Straße in Gesellschaft des Co-Piloten überquerte. »Wer war das?«, fragte ihr Kollege, als er in den Aeroflot-Bus stieg.
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»WAR DENN GAR NICHTS AUF DEM FILM, das uns
weiterhelfen könnte?«, fragte Macy.
»Nichts.« Jack sah seinen Chef über den Schreibtisch hinweg an.
»Leapman war nur lange genug im Büro, um acht Dokumente zu fotografieren, bevor Fenston unvorhergesehen auftauchte.«
»Und was erfahren wir aus diesen acht Dokumenten?«, verlangte Macy zu wissen.
»Nichts, was wir nicht schon gewusst hätten«, räumte Jack ein und schlug die vor ihm liegende Akte auf. »Hauptsächlich Verträge, die bestätigen, dass Fenston immer noch überall auf der Welt Kunden schröpft, die entweder naiv oder gierig sind.
Sollte einer von ihnen beschließen, dass es in seinem eigenen Interesse läge, seine Wertgegenstände zu verkaufen, um den Kredit bei Fenston Finance zu tilgen, dann haben wir es vermutlich bald mit einer weiteren Leiche zu tun. Nein, meine einzige Hoffnung besteht darin, dass die Polizei von New York genügend Beweise findet, um Leapman anzuklagen, denn ich habe noch nicht einmal genug, um ihm ein Knöllchen wegen Falschparkens anzuhängen.«
»Als ich heute Morgen mit meinem Pendant bei der Polizei von New York gesprochen habe«, wechselte Macy das Thema,
»oder besser gesagt, als er mit mir sprach, wollte er als Erstes wissen, ob wir einen FBI-Agenten namens Delaney haben und wenn ja, ob er vor seinen Jungs am Tatort war.«
»Was haben Sie ihm gesagt?«, wollte Jack wissen und versuchte, dabei nicht zu lächeln.
»Ich würde mich darum kümmern und ihn zurückrufen.«
Macy schwieg. »Es könnte sie ein wenig besänftigen, wenn Sie 415
bereit wären, Informationen mit ihnen auszutauschen«, schlug er vor.
»Ich glaube nicht, dass wir etwas haben, das sie nicht schon wissen«, erwiderte Jack. »Und sie sind sicher nicht scharf darauf, Anklage zu erheben, solange Leapman noch nichts nachzuweisen ist.«
»Irgendwas Neues aus dem Krankenhaus, was seine Genesung angeht?«, erkundigte sich Macy.
»Sieht nicht gut aus«, gab Jack zu. »In Fenstons Büro hat er einen stressbedingten Schlaganfall erlitten, begünstigt von Bluthochdruck. Der medizinische Ausdruck lautet Aphasie.«
»Aphasie?«
»Der Teil von Leapmans Gehirn, der seine Sprache regelt, wurde irreparabel geschädigt, darum kann er nicht sprechen.
Offen gesagt, sein Arzt hat ihn als Gemüse bezeichnet und mich gewarnt, dass dem Krankenhaus nur noch eine Entscheidung offen steht: ob sie den Stecker ziehen und ihn friedlich sterben lassen wollen.«
»Die Polizei von New York hat mir gesagt, dass Fenston besorgt neben dem Bett des Patienten sitzt.«
»Sie sollten ihn besser nicht allein mit ihm lassen«, warnte Jack.
»Falls sie es doch tun, brauchen die Ärzte nicht länger zu entscheiden, wer den Stecker ziehen soll.«
»Die Polizei von New York will außerdem wissen, ob Sie einen Fotoapparat vom Tatort entfernt haben.«
»Er gehörte dem FBI.«
»Nicht, wenn es ein Beweisstück in einer laufenden Ermittlung ist, wie Sie sehr wohl wissen, Jack. Warum schicken Sie ihnen nicht Kopien der Fotos, die Leapman gemacht hat, und versuchen, in Zukunft etwas kooperativer zu sein? Erinnern 416
Sie sie daran, dass Ihr Vater 26 Jahre für die Polizei tätig war –
das sollte sie für Sie einnehmen.«
»Aber was haben sie im Tausch zu bieten?«, fragte Jack.
»Die Kopie eines Fotos mit Ihrem Namen auf der Rückseite.
Sie wollen wissen, ob es für Sie etwas bedeutet, denn für sie bedeutet es nichts. Und für mich auch nicht«, gab Macy zu.
Der Chef schob zwei Fotos über den Schreibtisch und ließ Jack einen Blick darauf werfen. Das erste war ein Foto von Fenston, wie er bei seinem Besuch am Ground Zero George W.
Bush die Hand schüttelte. Jack erinnerte sich an die Vergrößerung dieses Fotos, die an der Wand hinter Fenstons Schreibtisch hing. Er hielt das Foto hoch und fragte: »Warum hat die Polizei hiervon
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