Die Farbe Der Leere
Fragen.
Russo fragte Katherine, wem sie alles von ihrer Beteiligung an der Jack-Ermittlung erzählt hatte. Er ließ es klingen, als wüsste er bereits, dass sie mit einer Unmenge von Leuten darüber gesprochen hatte. Er fragte sie, wer einen Groll gegen sie hegte. Ob sie irgendwelche Feinde hatte. Sie konnte irgendwie nicht recht glauben, dass sie solche Dinge gefragt wurde. Nein, entgegnete sie, sie habe keine Feinde. Oder genauer gesagt, sie habe wohl einen – die Person, die ihr tote Katzen und Zettel schickte, war definitiv kein Freund –, aber sie habe keine Ahnung, wer das sein könnte.
Als Russo danach fragte, berichtete sie, sie lebe getrennt, die Scheidung sei im Gange, die letzten Papiere schon unterschrieben. Kein böses Blut, versicherte sie ihm. Russo beharrte darauf, dass es bei Scheidungen immer böses Blut gab. Bei dieser nicht, hielt sie ebenso beharrlich dagegen. Und dann erinnerte sie sich an den Ausdruck in Barrys Blick, als er ihr gestern Abend nachgesehen hatte.
Wer hat die Scheidung gewollt, fragte Russo. Sie zögerte mit der Antwort. Zögerte so lange, dass er sie fragte, ob es ein Problem gäbe.
»Kein Problem. Ich versuche nur, eine korrekte Antwort auf eine komplizierte Frage zu formulieren.«
Russos Blick sagte: Was ist daran so schwer, gute Frau?, aber er blieb still sitzen und wartete ab.
»Ich habe ihn verlassen«, sagte sie schließlich. »Aber er wollte nicht wirklich mit mir verheiratet sein. Das war ihm nur noch nicht klar.« Sie fühlte sich heiß und verschwitzt trotz der kalten Nacht und der ständig offen stehenden Haustür, durch die andauernd Leute herein- und wieder hinaustrampelten.
Sie sah Mendrinos nicht an. Es behagte ihr nicht recht, dass er ihre persönlichen Angelegenheiten mit anhörte. Aber sie mochte sich auch keine Blöße geben, indem sie ihn bat zu gehen.
Schließlich wurde es wieder ruhig. Die Uniformen waren verschwunden. Die Technikertruppe längst abgerückt. Nur die beiden Detectives sowie Mendrinos und Katherine waren noch um ihr kleines Kartentischchen versammelt. Alle hockten auf Umzugskartons, bis auf Russo, der den einzigen Stuhl mit Beschlag belegt hatte.
Müdigkeit stand allen ins Gesicht geschrieben. Katherine erkannte, dass Malone älter war, als sie auf den ersten Blick wirkte. Die Jeans, der Pferdeschwanz und die blonden Ponyfransen über den Augen verliehen ihr eine äußerliche Jugendlichkeit, aber im kalten Licht der nackten Glühbirne hatte sie dunkle Ringe um die Augen, und viele feine Fältchen strahlten von Mund- und Augenwinkeln ab.
»Wir wissen ja nicht, ob Ihre kleinen Präsente von Jack kommen«, eröffnete Russo nun die neue Gesprächsrunde.
»Vielleicht sollten wir noch einen Moment warten«, unterbrach Malone. Sie sah Katherine mit besorgter Miene an. Katherine verstand. Sie hatte ihr papierweißes, verkrampftes Gesicht vorhin auf einem Gang zur Toilette im Spiegel gesehen.
»Kann ich uns einen Kaffee machen?«, fragte Malone. »Ich denke, wir könnten alle einen gebrauchen.«
Katherine erklärte, sie hätte keinen Kaffee. Nicht mal eine Kaffeekanne. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen hielt Detective Russo das für hochgradig schräg. Die beiden Detectives tauschten einen beredten Blick. Lass sie, dachte Katherine.
»Die Sache ist die«, fuhr Russo fort, als hätte es keine Unterbrechung gegeben. »Sagen wir, der Kerl, der Ihnen Nachrichten und tote Katzen hinterlegt, ist unser Jack.«
»Weil er Katzen aufschlitzt und sie mit Stöcken vergewaltigt?«
Russo verpasste ihr einen Blick, der klarstellte, dass er sprach und sie zuhörte. »Deshalb auch. Und wegen anderem. Wir haben da ein paar Dinge vor der Öffentlichkeit zurückgehalten. Soweit wir wissen, weiß davon außerhalb der Ermittlungen kein Mensch. Abgesehen von Jack.« Er sah sie wieder an, und diesmal signalisierte seine Miene eine Sprecherlaubnis.
»Okay. Ich hab's kapiert. Es ist ein Geheimnis. Ich verspreche, es nicht weiterzuerzählen.« Sie ließ ihre Irritation über diesen Mann in ihrem Ton mitschwingen.
»Die Kids wurden aufgeschlitzt, aber daran sind sie nicht gestorben. Sie wurden vergewaltigt und dann stranguliert.«
»Und dasselbe wurde den Katzen angetan, die man mir zukommen ließ.«
Russo schob sich einen Zahnstocher in den Mundwinkel und quetschte die Wörter daran vorbei. »Sieht ganz so aus, was? Also, ist das jetzt bloß 'n wilder Zufall? Oder irgendein Witzbold, der entweder den Mörder kennt oder über die Ermittlungen
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