Die Farbe Der Leere
versprochen? Schon klar, der Abschaum, der sich an Kinder heranmacht, gehört eingesperrt und der Schlüssel weggeworfen. Aber was ist mit den Kindern? Wonach suchen sie? Und was passiert später mit ihnen? Sah sie sich als Opfer? Ist es unsere Aufgabe, sie davon zu überzeugen, sich wie ein Opfer zu fühlen, wenn sie glaubt, die Initiative lag bei ihr?«
Ihr wurde bewusst, dass dies außerhalb des Büros ein gefährliches Gesprächsterrain war. Sie sprach diese Sprache jeden Tag und hatte sich daran gewöhnt. Sie lebte in einer Welt, wo noch die beiläufigste Frage in eine Diskussion über die denkbar perversesten Verhaltensweisen münden konnte. Solche Dinge wollte sie mit dem Mann, der ihr gegenübersaß, aber eigentlich nicht besprechen.
»Ich muss jetzt wirklich gehen«, sagte sie.
»Wollen Sie nicht auf Diane warten und sich verabschieden?«
»Ich fürchte, sie und Annie haben sich von der nächsten Margaritareklame in Neonleuchtschrift ablenken lassen.«
»Da könnten Sie recht haben. In Ordnung, lassen Sie uns gehen. Ich bringe Sie zu Ihrem Auto. Diane nimmt immer ihren Schlüssel mit, wir können ihr eine Nachricht schreiben und die Tür einfach zuziehen.«
So gut kannte er also Dianes Gewohnheiten. Und schämte sich auch nicht, mit ihrer Vertrautheit hausieren zu gehen. So weit hätte er nicht gehen müssen, um Katherine loszuwerden. Das war schon grob. Aber er sollte nicht merken, dass sie sich ärgerte.
Vor der Haustür erklärte sie ihm, dass sie prima allein zurechtkam, aber er bestand darauf, sie zu ihrem Wagen zu begleiten. Drei Blocks weiter und einmal um die Ecke. »Also schön«, sagte sie, bemüht, diesen Abend endlich hinter sich zu bringen.
»Ich wollte Sie noch etwas fragen«, setzte er umständlich an. »Sie brauchen ja nicht zu antworten, wenn Sie nicht wollen. Wie lange, sagten Sie, leben Sie schon in Ihrem Apartment?«
»Vier Monate«, antwortete sie knapp.
»Und haben Sie vor, dort wohnen zu bleiben?«
Sie war drauf und dran, dieses Kreuzverhör abzubrechen, aber dann siegte die Neugier, worauf er eigentlich hinauswollte. Sie zuckte die Achseln. »Ich hab noch keine festen Pläne.«
»Warum haben Sie dann nicht ausgepackt?«
Um ein Haar hätte sie ihm unverblümt erklärt, dass ihn das gar nichts anging. Stattdessen sagte sie einfach die Wahrheit. »Ich hab ausgepackt. Meine Kleidung, meine Zahnbürste. Ein oder zwei andere Dinge. Aber im Grunde gab es nichts weiter, was ich brauchte, also sah ich keinen Sinn darin, noch mehr auszupacken. Inzwischen denke ich schon darüber nach, ob ich die Kisten einfach entsorge, ohne noch mal reinzugucken.«
Sie zog ihre Schlüssel aus der Tasche, als sie ihr Auto sah.
»Grüßen Sie Miss Bennett von mir.«
Sie nickte und stieg ein.
Er sah zu, wie sie vor und zurück manövrierte, um den Wagen aus der engen Parklücke zu steuern, und winkte, als sie davonfuhr, aber sie schaute gar nicht hin.
13
Sie erwachte am nächsten Morgen mit einer schnarchenden Miss Bennett auf dem rechten Bein. »Dieser Bastard Mendrinos lässt dich grüßen«, sagte sie. Miss Bennett antwortete nicht.
Sie kuschelte sich wieder in die Decken, die Wärme von Miss Bennett an ihrem Körper und das Geräusch ihres Atems im Ohr. Sie hatte die Wahrheit gesagt, als sie Annie erklärt hatte, ein Hund sei besser als ein Ehemann.
Wenn Barry morgens aufgewacht war, hatte er schon seinen Plan für den Tag im Kopf und war sofort am Start. Skireisen mit anderen Paaren, der Erwerb teurer Küchengeräte, die sie nie brauchten, ein Auto kaufen, das mehr kostete, als sie im Jahr verdiente. Sie selbst war einer der wenigen Pläne von Barry, die nicht so aufgegangen waren, wie er sich das vorstellte.
Miss Bennett hatte keine Pläne und war ohne Gepäck gekommen, ja nicht mal mit vier Beinen.
Sie richtete ihre Konzentration auf die vordringliche Frage: Worin bestand die Verbindung zwischen dem Mörder und dem Gruppenhaus Watson & Green?
Nicht, dass sie sich vorstellte, eine Art Heldin zu werden. Es gab schließlich noch reichlich andere Aspekte der Ermittlung, die parallel liefen: Rechtsmedizin, Vernehmungen, Aufzeichnungen, Datenbankrecherchen. Die Chancen standen gut, dass all diese Bemühungen zusammen irgendwann die Antwort bringen könnten. Nichts, was sie allein tun konnte, würde alles ans Licht bringen. Aber immerhin: Dieses eine kleine Stück des Puzzles war ihres.
In Zukunft würde sie allerdings diesem unangenehmen Russo tunlichst aus dem Weg gehen. Sie würde
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