Die Farbe Der Leere
und sagt: ›Also ich komme den Kamin hoch. Nun, mein Häschen, was sagt dir diese Symbolik?‹«
»Sie sind verdorben, Steve«, sagte Katherine schmunzelnd. »Sie sind durch und durch verdorben.«
Als sie sich für die Anhörung an der Tür zum Gerichtssaal aufstellten, flüsterte Steve ihr ins Ohr: »Den Kamin hoch, verstehen Sie?« Diesmal schüttelte sie nur gereizt den Kopf. Sie hatte keine Lust, sich hier beim Witzeln belauschen zu lassen.
Um die Wartezeit zu überbrücken, rührten Steve und Katherine noch ein wenig in alten Fällen. Plötzlich hielt Katherine mitten im Satz inne. Auf einmal wusste sie, was unterschwellig an ihr genagt hatte. »Erinnern Sie sich vielleicht an einen ganz bestimmten Fall? Es war damals, als Sie gerade erst in der Missbrauchsabteilung anfingen. Schon sehr lange her. Da hatten wir die Zeichnungen eines Kindes als Beweismaterial mit aufgenommen, wissen Sie das noch?« Mit jedem Wort, das sie sprach, wurde ihre Erinnerung klarer. »Es war auch ein Kinderpsychiater als Zeuge geladen, der aussagen sollte, was für Bedeutungen er aus den Zeichnungen des Jungen herauslas. Wissen Sie noch, wir waren unsicher, ob dieser Seelenklempner nicht ein Quacksalber war.« Sie sprach immer schneller, als jetzt die Einzelheiten wieder hochkamen. »Die Schwester des Jungen war vom Vater sexuell missbraucht worden. Das Kind hatte erst die Version seiner Schwester bestätigt, sich dann aber geweigert auszusagen.«
»Ja, ich erinnere mich an die Zeichnungen. Es kommt langsam wieder. Wow, das ist aber wirklich sehr lange her. Der Fall hieß … Mist. Ich weiß den Namen des Falles nicht mehr.«
»Verdammt, ich auch nicht«, sagte sie, und dann rief der Gerichtsdiener die Parteien im Fall Terry auf. Steve blieb kurz zurück, um Mrs. Terry ein paar bestärkende Worte ins Ohr zu flüstern. Katherine nahm ihren Platz am Verhandlungstisch ein. Gleich darauf war Steve wieder neben ihr. Katherine gefiel sein Gesichtsausdruck nicht. »Was ist los?«, flüsterte sie.
»Schlechte Neuigkeiten. Sie hat ihre Meinung geändert. Sie will sich nicht schuldig bekennen.«
»Was? Warum nicht? Sie haben doch gesagt, sie sei einverstanden. Wir haben hier einen klaren Fall. Wenn sie keine Ermittlung wegen Missbrauch will, sollte sie sich schuldig bekennen. Das Kind hat Chlamydien. Die Mutter hat keine Erklärung.«
Steve starrte auf den Tisch hinab. »Tja, nun behauptet sie auf einmal, sie hat eine.«
»Was glaubt sie denn, wie ernst das Gericht eine Erklärung nimmt, die sie Ihnen gegenüber drei Monate lang nicht für erwähnenswert hielt?«
Richter Marshall warf ihnen von der Richterbank aus irritierte Blicke zu. Steves Gesicht war dunkelrot angelaufen. »Tja. Ähm, also im Grunde hat sie sie erwähnt.«
Wie konnte Steve derartig versagt haben? »Was?« Jeden Moment konnte die Verhandlung eröffnet werden, und sie wusste nicht mal, worauf sie jetzt plädieren sollte.
»Der Nikolaus«, stieß er hervor. »Ich hab Ihnen doch erzählt, sie sagt, der Nikolaus war es. Es ist wohl so, dass bei einer Halloweenparty jemand in einem Nikolauskostüm in ihrem Haus war. Und Sylvia Terry behauptet, Ravena sagt jetzt, der Nikolaus hätte sie sexuell missbraucht.«
»Scheiße, Scheiße, Scheiße. Hatte dieser Nikolaus denn Zugriff auf das Kind?«
»Ich weiß auch nicht mehr, als ich Ihnen gerade gesagt habe«, sagte Steve kläglich.
»Wenn die Anwälte dann ihr Geplauder beendet haben, würde ich gern die Verhandlung eröffnen.«
Katherine murmelte ihre Entschuldigungen, der Gerichtsdiener rief den Fall auf, und Richter Marshall bellte: »Rufen Sie Ihren ersten Zeugen auf, Ms. McDonald!«
»Es tut mir leid, Euer Ehren, nach meiner Information war ein Schuldanerkenntnis vereinbart, was für eine Entscheidung ausgereicht hätte, doch da sich das als Irrtum erweist, bin ich für die heutige Verhandlung nicht vorbereitet.«
»Habe ich richtig gehört?«
»Das weiß ich nicht, Richter. Ich sagte gerade, ACS ist nicht bereit für diese Verhandlung.«
»Ich habe wohl immer noch Probleme mit meinem Gehör. Es kam mir vor, als hätten Sie eben gesagt, Sie kommen am Verhandlungstag in meinen Gerichtssaal marschiert und sind nicht vorbereitet.«
Jede Person im Saal heftete ihren Blick auf Katherine, von den Uniformierten über die Justizangestellten und Protokollführer bis zu den Anwälten, die im Hintergrund herumlungerten. In ihrer aller Augen lag die makabre Faszination, mit der Menschen im Discovery Channel der Schlange
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