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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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des Killers. Um das Verbrechen aufzuklären, musste man den Mörder kennen, auch wenn man nicht wusste, wer er war. Herr im Himmel. Dies war der verdammt beste Job der Welt.
    Er hatte die Literatur studiert. Serienmörder operierten gewöhnlich in einem sich wiederholenden Kreislauf. Der Höhepunkt war der Moment, in dem das Opfer ihnen völlig ausgeliefert war. Vielleicht hatte der Mörder im Augenblick des Todes sogar einen Orgasmus. Aber dann war es vorbei. Und diese Dunkelheit war immer noch in ihm. Und er wusste das. Es war diese Dunkelheit, die er in Wirklichkeit töten wollte, und dabei versagte er, wieder und wieder. Russo glaubte nicht, dass diese Dunkelheit ein klaffendes Vakuum war, ein Nichts. Diese Dunkelheit war böse und lebendig, fast selbst eine Kreatur.
    Russo meinte die Dunkelheit des Killers fühlen zu können, zur Hölle, er schmeckte sie förmlich in jenen ersten Minuten beim Anblick des Ortes, wo eine verstümmelte Kinderleiche abgeladen worden war. Das war gut. Es entfachte die Wut, die ihn antrieb. Er hatte die Leiche des Jungen vor sich, aber er roch den Mörder.
    Gewöhnlich war eine Mordermittlung ein Spiel, sauber und einfach. Russo liebte es zu gewinnen. Aber ein Fall wie dieser, das war schon die Champions League. Vielleicht hinkte der Vergleich ein bisschen, denn es war schließlich Russo, der am Ende das Rennen machte. Klar, die ganze Sonderkommission. Sie waren ja alle ein Team. Und klar, Malone war seine Partnerin. Aber für Russo war der Kern des Ganzen die Partie Russo gegen Jack.
    Jack musste einen Ort haben, wo er die Jungs hinbrachte und sich an ihnen zu schaffen machte. Man brauchte Zeit und Ungestörtheit, um zu tun, was er tat. Russo musste diesen Ort finden.
    Jack musste Charme besitzen und sich aufs Manipulieren verstehen, denn wie sonst hätte er diese Kids in seine Gewalt bekommen? Die Jungs waren körperlich klein, aber sie waren keine Chorknaben. Bedachte man ihre Lebensgeschichte und ihr Umfeld, waren sie mit Sicherheit abgebrüht und vorsichtig. Aber Jack hatte es geschafft, sie in die Falle zu locken.
    Früher oder später musste der Moment kommen, in dem der Junge begriff, dass es ernst war, dass er einem Mörder in die Hände gefallen war.
    Und dann kam die Folter, deren grausame Einzelheiten nur die toten Jungs kannten. Jack ging mit seinem Messer zu Werke, während der Junge noch am Leben war. Das arme Kind musste am Ende den Tod herbeisehnen.
    Jack entsorgte die Leichen. Eine auf einem Abrissgrundstück und zwei auf Dächern. Auf Dächern! Das fraß Russo besonders an. Der Mörder hatte sich zweimal extra die Mühe gemacht, die Leiche auf ein Dach zu schleppen. Diese Zugabe, dass er sich die Zeit nahm, so was zu tun – das empfand Russo als Verhöhnung. Klar, das hatte er wohl in den frühen Morgenstunden vor Tagesanbruch getan, wenn die Chance, gesehen zu werden, am geringsten war. Aber das hier war verdammt noch mal New York City. Es waren immer überall Leute. Gottverfluchte Scheiße, der Dreckskerl machte sich über ihn lustig.
    Er war so vorsichtig. Schon wie er die Leichen wusch, wenn er fertig war, alle Spuren beseitigte, und wie er sie in irgendwas aus Baumwolle (so weit die Faseranalyse) einwickelte und einen Platz fand, wo er sie lassen konnte. Und dann ging er dieses völlig überflüssige Risiko ein, sie auf ein Dach zu schleppen.
    Das war der beste Fall, an dem Russo je gearbeitet hatte.
    Endlich ging das Briefing los, und er bemerkte Mendrinos' Freundin im Hintergrund des Raums. Als Mendrinos dran war, erzählte er, die Freundin habe rausgekriegt, dass die toten Jungs alle mal in dem Gruppenhaus gelebt hatten. Die toten Katzen und die Drohbriefe an die Freundin ließ er weg, die fielen in Russos Ressort.
    Mendrinos war ein komischer Vogel, aber ein guter Staatsanwalt. Das war alles, was für Russo zählte. Obwohl es schon interessant war, zu sehen, auf was für Frauen er stand. Dünn, praktisch keine Figur, mit kurzen, glatten, farblosen Haaren. Rosemarie würde sagen, das Mädchen macht nichts aus sich, versucht es nicht mal: kein Schmuck, keine Frisur, kein Make-up.
    Dieser Zeitdruck machte sie alle ganz verrückt. Jeder Tag, der verging, machte es wahrscheinlicher, dass der nächste Junge verschwand. Klar, die New York Times leckte sich nicht gerade die Finger nach dem Fall. Schließlich brauchten sich die reichen alten Schachteln an der East Side in Manhattan keine Sorgen zu machen, und es ging auch nicht um hübsche College-Mädels. Aber

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