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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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sie jetzt nicht erwartet. »Großartig.«
    Mrs. Campbell antwortete nicht.
    »Oder nicht?«
    »Mein Mann und ich, wir verstehen nicht, warum er zu einem Therapeuten will.« Sie sprach das Wort in einem Ton aus, in dem Katherine bestenfalls ›Voodoo-Hexer‹ gesagt hätte. Es folgte wiederum Stille. Dann, als verriete sie ein Geheimnis: »Therapie verschafft den Menschen nur eine Entschuldigung für ihr sündiges Verhalten. Mein Mann und ich wären glücklicher, wenn er Rat bei unserem Priester suchen würde.«
    Da Jugendschutz und Familiengerichtsbarkeit sich ebenso felsenfest auf die Wirksamkeit von Therapie verließen wie die Campbells auf die ihrer Religion, wirkte Mrs. Campbells Ansicht auf Katherine zumindest erfrischend ungewöhnlich. Aber was wollte Mrs. Campbell jetzt von ihr? Die Stille dauerte an, bis Katherine schließlich einen Schuss ins Blaue versuchte.
    »Ich kenne eine gute Jugendpsychologin. Ich kann Ihnen ihren Namen und ihre Nummer geben.«
    Da nun endlich ans Licht gekommen war, dass hierin der eigentliche Zweck des Anrufs bestand, suchte Katherine ihr Adressbuch heraus und fand rasch die Telefonnummer von Dr. French, die schon bei verschiedenen Gelegenheiten als Gutachterin für sie ausgesagt hatte.
    Befriedigt hängte Katherine ein. Ihrer Verantwortung für Brian war nun endgültig Genüge getan. Seine Probleme lagen jetzt in professionellen Händen.
    Sie machte sich wieder an den halbherzigen Versuch, ihre Kartons auszupacken. Was hatte Jose noch gesagt: Leere ist Form. Was immer das hieß. Stück für Stück trug sie die Kartons zum Müllcontainer neben dem Geräteraum des Wohnkomplexes und stieß sie über die Kante.
    Ein halbes Dutzend Mal wanderte sie durch die kalte Nacht, um wieder eine Kiste im Container zu versenken, und auf jedem Rückweg fühlte sie sich ein Stück leichter. Gleichzeitig wuchs bei jedem Gang ihre Besorgnis. Immerhin war es dunkel, sie war allein, und jemand da draußen hatte ihr Drohbriefe, tote Katzen und eine verstörende Zeichnung hinterlassen.
    Sobald ihr die Zeichnung in den Sinn gekommen war, ließ sie sie nicht mehr los. Etwas nagte an ihr, als habe sie irgendeinem Detail nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Die Zeichnung selbst war ihr förmlich ins Hirn gebrannt. Sie sah die primitive Gewalt in diesen schwarzen peitschenden Strichen immer noch vor sich. Die Intensität darin, diese Hingabe. Jemand hatte unbedingt gewollt, dass sie das sah. Jemand hatte das für sie bestimmt.

14
    Das Montagmorgen-Briefing der Sonderkommission hatte noch nicht mal angefangen, und Russo hatte schon drei Becher Kaffee intus.
    Es ist zu lange her, seit der letzte Junge verschwand. Wir sitzen hier rum und sabbeln. Er ist da draußen und lauert irgendeinem armen Schwein von Gossenkind auf, das als Nächstes fällig ist. Oder jedenfalls fällig sein wird, wenn wir den Dreckskerl nicht vorher kriegen.
    Er war überdreht, schlief nicht genug, trank viel zu viel Kaffee und wurde immer dünner. Genau wie Rosemarie es ihm heute Morgen lang und breit vorgezählt hatte. Klar war er auf hundertachtzig. Er hatte schließlich das große Los gezogen.
    Normalerweise lief es so: Jemand ließ sich umbringen. Russo bekam den Fall. Der Mörder da draußen schwitzte. Musste jedes Mal die Straßenseite wechseln, wenn er einen Polizisten sah. Immer die Luft anhalten, wenn es an der Tür klingelte. Inzwischen machte Russo sein Ding. Sprach mit den Rechtsmedizinern, studierte den Autopsiebericht, vernahm Zeugen, saß bis tief in die Nacht herum und machte sich Gedanken über den Typ da draußen. Die Leiche hatte es nicht eilig und der Täter keine Wahl. Russo war das Raubtier und der Mörder seine Beute. So gefiel es ihm.
    So war es hier nicht. Jack war da draußen, tötete einen Jungen nach dem anderen, und Russo war der, der schwitzte. Er hoffte, nein, er betete, dass er Jack fand, bevor der das nächste Kind killte. Bisher hinkte Russo immer mindestens einen Schritt hinterher. Denn Russo befasste sich noch mit dem letzten toten Jungen, während Jack schon dem nächsten nachstellte.
    In den meisten Fällen ergab sich die Antwort auf die Frage, wer den Mord begangen hatte, aus dem Leben des Opfers. Der Ermordete hatte gedealt, zu einer Gang gehört, irgendjemandes Freundin angemacht. Wenn man genug über das Opfer herausfand, kriegte man seinen Mörder. Aber bei Fällen wie diesem traf nichts davon zu.
    Der Auslöser für diese Verbrechen lag nicht beim Opfer, sondern kam aus der Dunkelheit im Innern

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