Die Farbe Der Leere
sie als kleine Zusatzversicherung Mendrinos fragen, ob er nicht Russo auf Jose ansetzen konnte.
◊
Die hielten sich für so schlau. Er hätte fast laut losgelacht, als sie mit ihm sprachen. Er wusste, dass sie ihn im Visier hatten, aber er wusste auch, dass sie ihn nie kriegen würden. Niemals.
Er war ihnen so weit voraus.
Er war jetzt bereit für den großen Schritt. Er war bereit, Katherine McDonald für ihre Taten bezahlen zu lassen.
20
Am dritten Tag, nachdem Lenny Rutland die elterliche Wohnung verlassen hatte, um in der Nachbarschaft Bonbons zu verkaufen, kam Katherine nach Hause und fand ihre Straße beidseitig mit Polizeiwagen zugeparkt. Sie musste um die Ecke und zwei Blocks weiter fahren, um eine Lücke zu finden, dann ging sie zu Fuß zurück. Noch ehe sie die Rasenfläche zwischen den Blocks erreicht hatte, wurde sie von einem uniformierten Polizeibeamten angehalten, der nicht alt genug wirkte, um sich rasieren zu müssen.
»Ma'am, kann ich Ihnen einige Fragen stellen?«
»Man hat die Leiche des Rutland-Jungen gefunden, oder?«
Sein Gesichtsausdruck war Antwort genug. »Ich soll Ihnen nur ein paar Fragen stellen, Ma'am.«
Er machte sich Notizen, während sie ihm ihren Namen und ihre Hausnummer nannte und ihm versicherte, dass sie das alles schon gefragt worden war und Lenny Rutland nicht gekannt hatte. Ein furchtbarer Gedanke kam ihr in den Sinn. »Wird etwa noch jemand vermisst?«
»Davon weiß ich nichts, Ma'am.«
Dem Polizeibübchen Rede und Antwort zu stehen verlor schnell seinen Reiz, also eilte sie weiter, um selbst zu sehen, was vor sich ging. Als sie um die Ecke kam, stellte sie fest, dass die Häuserreihe parallel zur Straße mit dem gelben Crime-Scene-Band der Polizei abgesperrt war.
Sie blieb vor dem Absperrband stehen und betrachtete den Haufen Polizisten, der um den offen stehenden Geräteraum herumwuselte. Katherine war erst wenige Male in diesem Raum gewesen.
Sie erschrak, als das Polizeibübchen sie erneut ansprach. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er ihr gefolgt war. »Ma'am, bitte halten Sie sich fern, damit die Kollegen ihre Arbeit machen können.« Er war offensichtlich besorgt, sie könnte sich danebenbenehmen und er dadurch Ärger bekommen. Aus irgendeinem Grund amüsierte sie die Vorstellung.
»Ich gehe jetzt in meine Wohnung«, sagte sie. »Wenn Sie Fragen über mich haben, fragen Sie Detective Russo. Er kennt mich.«
»Warten Sie hier.«
Sie wusste genau, hatte sofort gewusst, was man im Geräteraum gefunden hatte. Trotzdem dauerte es ein Weilchen, bis dieses Wissen wirklich zu ihr durchdrang, bis sie es ganz erfasste.
Sie ging weg. Diesmal folgte der Uniformierte ihr nicht.
Noch ein toter Junge, dachte sie. Noch ein toter Junge.
Sie hatte beinahe vergessen, dass Miss Bennett auf sie wartete, bis sie das Kratzen hinter der Tür hörte. Der ganze Aufruhr draußen hatte das dringende Verlangen des Hundes geweckt, hinauszustürzen und alles eingehend zu untersuchen. Katherine gewährte ihr einen langen, gemächlichen Spaziergang. Als sie zurück waren, füllte sie Miss Bennetts Wassernapf und verabreichte ihr eine Extraportion Fressen, das Dosenfutter, das sie am liebsten mochte.
Mendrinos hatte an jenem ersten Abend in Peter's Pub seine Mobilnummer auf die Rückseite einer seiner Karten geschrieben. Man könne ihn über diese Nummer jederzeit, Tag und Nacht erreichen, hatte er gesagt. Sie hatte es bisher vorgezogen, ihn unter seiner Büronummer anzurufen. Aber jetzt wählte sie das Handy an, und er war sofort am Apparat. Sein Ton war klar und sachlich.
»Ich habe versucht, Sie bei der Arbeit zu erreichen, als ich erfuhr, dass man Rutlands Leiche gefunden hat, aber da waren Sie schon weg. Dann habe ich Ihre Privatnummer angerufen. Haben Sie Ihr Band nicht abgehört?«
Nein, hatte sie nicht.
»Ihr Hausmeister hat die Leiche in einer Art Geräteraum gefunden. Wir werden erst nach der Autopsie mehr wissen.«
»War die Methode dieselbe?«
»Ja und nein. Er wurde stranguliert und vergewaltigt.«
»Und aufgeschlitzt?«
»Nein.«
»Dann war es gar nicht Jack? Ich dachte, Serienmörder halten sich immer stur an dieselbe Methode.«
»Normalerweise schon. Dummerweise lesen Serienmörder nicht die Bücher über Serienmörder und folgen dann den Regeln. Manchmal fangen sie an, auf ihr Glück zu setzen, gehen mehr Risiken ein. Sie können sich auch in eine Raserei hineinsteigern, wo sie so schnell morden, dass ihnen keine Zeit bleibt, ihre früheren Rituale
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