Die Farbe Der Leere
auf …« Vorsicht. Wenn sie zu sehr auf die Tube drückte, würde er trotzdem weitermachen und ihr nur nichts mehr davon erzählen. Sie musste ihm klarmachen, was auf dem Spiel stand. »Jose, er ist ein Killer. Ein schlauer, starker Killer. Ich weiß, dass du auch schlau bist, aber du hast längst nicht so viel Zeit und Möglichkeiten wie die Cops. Verstehst du, worauf ich hinauswill? Wenn dieser Typ auch nur das kleinste bisschen davon mitkriegt, was du tust, dann spürt er dich auf und bringt dich um. Ich will nicht, dass du so endest wie die anderen.
Hör zu, ich weiß, du willst Vergeltung für Jonnie. Aber du musst mir glauben, die Cops wollen das auch. Sie sind wirklich dran an dem Fall.«
Seine Schultern waren runtergesackt, er starrte auf den Tisch.
Der Kellner kam mit Joses Dessert und Katherines Kaffee.
»Bei Kids wie uns – wollen Sie mir vielleicht erzählen, wir wären den Bullen auf einmal dermaßen wichtig?«
»Was ich dir erzähle, ist, dass ich die Leute kenne, die an diesem Fall arbeiten, und ich weiß, dass sie gut sind und dass sie alles tun, was man tun kann. Du könntest ihnen in die Quere kommen. Oder schlimmer, du könntest umgebracht werden.« Sie war plötzlich verzweifelt. »Bitte, Jose. Mach das nicht mehr.«
Er sah sie erstaunt an. »Okay. Wenns Ihnen so viel bedeutet.« Er zuckte die Achseln und versuchte die Schokoladenkruste um seine Eiscremekugel zu durchbohren, woraufhin sie ihm entwischte und quer über den Tisch schoss.
Er sah sie forschend an, um zu prüfen, ob sie wütend wurde. Doch sie hob nur die Kugel auf und legte sie auf seinen Teller zurück. Er fiel darüber her, als hätte er seit einer Woche nichts gegessen.
Sie hätte ihm am liebsten ein Versprechen abgenommen, aber sie wusste, dass sie jetzt Ruhe geben musste.
Später, als sie ihn zurückfuhr, fragte Jose in beiläufigem Ton: »Diese Schule, auf die Jonnie ging?«
»Ja?«
»Könnten Sie mich da reinbringen?«
Sie war überrascht und brauchte eine ganze Weile, um zu antworten. »Wie sind deine Noten?«
Stille. Dann: »Die meisten ganz okay.«
»Oh.« Dann: »Wie schneidest du bei den standardisierten Tests ab?«
»Bei was?«
»Beim Ausfüllen von Fragebögen, solchen Tests, wo man Kreuze in die kleinen Kreise machen muss.«
»Alter. Ich hasse diesen Scheiß.«
»Danach hab ich nicht gefragt. Wie schneidest du dabei ab?«
Mehr Schweigen.
Jose sprach mit aufgesetzter Heldenverachtung: »Ich hab Sie nur verarscht. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich wirklich auf so 'ne Penne will?«
Weiteres Schweigen. Es geht immer übel aus, wenn ich mich auf so was einlasse, dachte sie. Ich sollte es wirklich lassen. »Okay, wir versuchen es.«
»Was?«
»Ich kann es dir aber nicht abnehmen. Du musst die Arbeit schon selber tun. Wenn deine Noten nicht gut genug sind, musst du anfangen zu büffeln. Wir besorgen dir einen Nachhilfelehrer, wenn du einen brauchst. Und wir müssen an deinen Testergebnissen arbeiten.«
»Glauben Sie, dass ich das kann?«
»Ich werde dir helfen, unter einer Bedingung.«
»Ja?«
»Du hältst dich fern von Craigs Gegend und seinen Freunden. Oder besser gesagt, von allem und jedem, was mit den Mordermittlungen zu tun hat.«
»Das hab ich doch schon gesagt.«
»Also gut.«
Sie sah vom Auto aus zu, wie er die Stufen zur Haustür des Jugendheims hochstieg. Den Jungs war es nicht mehr gestattet, nach Einbruch der Dunkelheit alleine draußen zu sein. Das war nur eine von vielen Restriktionen, die ihnen neu auferlegt worden waren. Die Jungs empfanden diese Maßnahmen als Tyrannei, und die Spannung unter den Insassen war deutlich gestiegen, ebenso die Spannungen zwischen den Insassen und dem Personal.
Sämtliche Fallbetreuer bemühten sich nach Kräften, für die Jungs andere Unterbringungen aufzutreiben. Es war kein leichtes Unterfangen, neue Pflegeplätze für zwölf schwierige männliche Teenager zu finden, aber fünf waren schon verlegt worden. Für die Zurückbleibenden drückten diese Abgänge noch zusätzlich auf die trostlose Atmosphäre.
Sie wusste jetzt schon, dass sie einen Fehler gemacht hatte, als sie zusagte, sich noch weitgehender in Joses Leben einzumischen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er auf diese Art wirklich die Kurve kriegen und sein Schicksal herumreißen konnte, lag so ziemlich bei null.
Sie musste einfach hoffen, dass die Chancen doch besser standen, dass er tat, was er gesagt hatte, und seine persönliche Mordermittlung einstellte. Vielleicht sollte
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