Die Farbe Der Leere
ihr saß. »Wir werden einen Psychiater oder Psychologen oder Kunstexperten brauchen, egal, nur irgendwer der uns eine professionelle Expertise liefert, dass dies«, sie deutete auf die Zeichnung, »von derselben Person gezeichnet wurde wie das hier«, und sie schwenkte eine Fotokopie der Zeichnung, die jemand unter ihrer Tür durchgeschoben hatte.
Steve sah auf seine Uhr und stand auf. »Es ist schon spät, aber ich werd mich dahinterklemmen.«
Als er rausging, klingelte das Telefon. Sie nahm ab, und Mendrinos sagte: »Du glaubst also, es ist derselbe Typ.«
»Ja. Eindeutig. Ich bin ganz sicher.«
»Worauf gründet sich dein Urteil? Kannst du irgendein spezifisches Detail anführen?«
Sie betrachtete die Zeichnung, die vor ihr lag. »Nein. Es gibt keine Einzelheit, auf die ich den Finger legen könnte. Es ist einfach nur so, dass mein Bauchgefühl auf diese Zeichnungen genau gleich reagiert. Ich weiß, dass es derselbe Kerl ist. Ich weiß es.«
»Das reicht aber nicht, damit wir einen Durchsuchungsbefehl bekommen.«
»Der Fallbetreuer ist schon unterwegs, um ein professionelles Gutachten aufzutreiben.«
»Gut. Bleib in Verbindung.«
Diane steckte ihren Kopf durch die Tür. »Mädchen, hat das Wort ›Mittagspause‹ für dich irgendeine Bedeutung?«
»Ich kann nicht weg. Ich muss noch diese Akte hier durchackern, bevor Detective Malone sie abholen kommt.«
»Ja, aber alle Arbeit …«
»Warte mal. Kannst du einen Moment reinkommen?«
»Na klar.« Sie ließ sich auf Annies Bürostuhl nieder und schlug ihre langen dünnen Beine übereinander, wodurch sie Katherine an einen dieser grazilen Vögel erinnerte, die im Wasser stehen. »Über wen wollen wir denn herziehen?«
»Mendrinos hat die letzte Nacht bei mir verbracht.«
Diane beugte sich vor und klatschte mit der flachen Hand auf einen Aktenstapel. »Hab ich dir nicht gesagt, du musst dich mal flachlegen lassen?«
»Aber ich dachte, du und Mendrinos, ihr wärt ein Paar.«
»Wer hat das gesagt? Und wenn es jemand gesagt hat, wieso schläfst du dann mit ihm? Erinnere mich in Zukunft daran, meine Liebhaber von dir fernzuhalten.« Sie lachte. »Nein, im Ernst, wie kommst du darauf?«
»Ich weiß es nicht genau.«
»Wir hatten mal ein paar Verabredungen, aber das ist Jahre her.«
»Was ist passiert?«
»Nichts. Mich gibt's nur im Paket, weißt du. Meine zwei Mädchen gehören zu mir. Ich hab nicht die Energie, mich um einen Mann zu kümmern und die beiden großzuziehen.«
»Muss Mendrinos gehätschelt werden?«
»Nein, im Gegenteil. Ich schätze, er würde das hassen. Aber ich hab einfach keine Zeit für solche Albernheiten. Sicher, ich gönn mir ab und zu einen Kerl, aber ich bringe niemanden in das Leben meiner Mädchen. Die haben genug mitgemacht. Sie brauchen keine Männer, die kommen und gehen. Und welcher Mann möchte schon mein Teilzeitspielzeug sein?« Sie blickte nachdenklich ins Leere. »Sicher, manche schon, aber nicht Dan. Dan will mehr als das, aber ich wollte es ihm nicht geben.«
Sie kicherte plötzlich. »Das klingt, als ob das alles ganz allein meine Entscheidung war. Vielleicht wollte er mich ja nicht genug, um es als Herausforderung zu nehmen, als ich ihm meine Bedenken erklärt hab. Vielleicht hätte er sich mehr anstrengen können, mich zu überzeugen, dass er nichts auf der Welt lieber will, als der Vater meiner Mädchen zu werden.
Nein, ich glaube, ich bin ihm auch zu handfest. Er liebt seine Frauen geheimnisvoll und kompliziert. Deshalb ist er ideal für dich.«
Sie stand auf und streckte sich wie eine Katze.
»So. Ich muss los und mir was zu Essen besorgen. Ich versuche auf dem Weg Annie aufzugabeln, und wir bringen dir was mit. Ich will nicht, dass du zu einem Nichts schwindest und weggeweht wirst.«
22
Als sie Lamar Hicks' Akte las, erfuhr Katherine schließlich, wie es ihm weiter ergangen war.
Zunächst war er im Haushalt seiner Tante untergebracht worden. Seine Tante tat, was sie ›das Richtige‹ nannte, und bot ihm ein neues Zuhause. Aber als sie ein paar Wochen später nach Hause kam und ihren Neffen und ihre Tochter beim Doktorspielen erwischte, nun, da musste sie doch das Wohlergehen ihrer Tochter voranstellen.
Lamar wurde in eine andere Pflegefamilie gegeben. Die Berichte in der Akte waren ziemlich lückenhaft, aber es schien, dass der leibliche Sohn der neuen Pflegeeltern Lamar tyrannisierte. Ein neuer Fallbetreuer beschrieb Lamar als klein, schüchtern, kränklich und einsam. Bis dahin hatte Lamar
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