Die Farbe Der Leere
sieht, aber das ist wohl nicht passiert. Und das war's. Ende der Geschichte.«
»Werden seine Eltern ihm einen guten Anwalt besorgen?«
»Ich glaube, kein Anwalt der Welt ist gut genug, um ihn da noch rauszupauken.«
»Tut es Ihnen leid, dass er der Polizei alles gestanden hat?«
Sie zuckte die Achseln. »Er konnte mit der Schuld nicht leben.«
Eine Weile saßen sie schweigend da.
»Ich sollte heute Nacht bei Ihnen bleiben.«
Es war eine Feststellung, keine Frage.
Sie wollte jemanden um sich haben, egal wen, irgendwen, der sie von dem Schmerz ablenkte, den sie in Brians Augen gesehen hatte, von ihren Erinnerungen an Jonathan, ihren Ängsten um Jose. Und hinter alledem natürlich ihrer Sehnsucht nach Seth, danach, dass er am Fußende ihres Bettes saß und alles wiedergutmachte. Sie wollte den bitteren Geschmack in ihrem Mund für eine Weile vergessen.
Schließlich stand sie auf und ging vorsichtig auf ihren bandagierten Füßen ins Schlafzimmer. Diesmal folgte ihr Mendrinos.
Sie zog sich aus, ließ alles auf den Boden fallen und legte sich aufs Bett. Es schien Jahre her, dass sie vom Geräusch brechenden Glases erwacht war.
Mendrinos zog seine Sachen aus und breitete sie sorgfältig über eine der Kisten an der Wand. Dann streckte er sich vorsichtig neben ihr aus. Nach einer Weile legte er einen Arm um sie und streichelte mit ungeheurer Zärtlichkeit ihren Rücken. Sie seufzte und lehnte sich entspannt an seinen Körper. Seine Hand glitt über ihren Rücken und durch ihre Haare.
Da presste sie sich an ihn, packte zu und umschlang ihn, krallte ihre Nägel in seinen Rücken und biss in seine Lippen. Warf sich in den Akt, als ob es ein Feuer wäre. Sie hatte es verzweifelt eilig, und er auch, beide grob und gierig. Dann, im letzten Moment, stockten sie beide.
Keiner sprach, aber er hielt sie in den Armen, und sie entspannte sich langsam wieder. Die Wildheit wich aus ihr, und sie weinte.
Am nächsten Morgen erwachte sie sehr langsam. Immer wieder tauchte sie fast auf, spürte seine Körperwärme neben sich in ihrem Bett und ließ sich wieder hinabgleiten in die behagliche Betäubung des Schlafs. Bis der Tag sie irgendwann endgültig hochzog.
Er lag wach neben ihr und starrte an die Decke. Sie setzte sich auf und zog ihr Sweatshirt über, ohne ihn anzusehen. Keiner von ihnen sprach. Sie drehte ihm den Rücken zu und blickte aus dem Fenster über den Innenhof, während er in seine Sachen stieg.
»Ich muss nach Hause und mich umziehen«, brach er schließlich die Stille.
Sie zuckte die Achseln. »Ich kann dir keinen Kaffee machen.«
»Aber das wusste ich, als ich blieb.«
Sie lächelte über den Versuch eines Witzes, und er lächelte zurück.
Keiner von ihnen versuchte den anderen zu berühren, bevor er ging.
Sie kam an diesem Tag zu spät zur Arbeit.
Annie war schon unten im Gerichtssaal, aber auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch wartete Steve Green auf sie.
»Hey, Ms. McDonald«, sagte er mit gedämpfter Stimme.
Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Dann überreichte er ihr eine Bleistiftzeichnung auf dickem braunem Packpapier.
Die Technik war grob, aber der Stil vertraut. Das Motiv war die Folterung eines Hundes durch eine kleine männliche Figur.
»Lamar Hicks«, sagte er. »Hier drin sind noch viel mehr davon. Ich bin überrascht, dass ich sie aufgehoben habe.«
»Ich nicht. Sie machen Ihre Arbeit gut und gründlich.«
Sie starrte auf die Zeichnung in ihrer Hand. Dann sah sie ihn an.
»Was denken Sie? Ich habe meine Meinung, aber ich muss Detective Russo anrufen und will ihm sagen, was Sie denken.«
Er hob den Blick und sah ihr direkt in die Augen. »Ich bin sicher, dass es Lamar war, der Ihnen diese Zeichnung zukommen ließ. Warten Sie.« Er suchte eine Weile in der Akte, die er vor sich hatte, und reichte dann ein brieftaschengroßes Foto über den Tisch. Die Schulfotografie eines dünnen, schmächtigen Jungen. »Das ist er. Das ist Lamar zu der Zeit, als wir seinen Fall bearbeitet haben.«
Sie betrachtete das Bild und konnte sich nicht erinnern, diesen Jungen je gesehen zu haben. Sie erinnerte sich an den Fall, und sie erinnerte sich genau an die Zeichnungen, aber sie hatte absolut keine Erinnerung an Lamars Gesicht.
Sie umging Mendrinos und rief Russo direkt an. Sie erzählte ihm, was Steve gefunden hatte. Seine Reaktion fiel unverbindlich aus. Es war klar, dass sie mehr brauchte, um ihn zu überzeugen.
Als sie aufgelegt hatte, wandte sie sich an Steve, der immer noch wartend vor
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