Die Farbe Der Leere
Druck auf diesem Fall.«
»Ich hab ihm gesagt, er soll nicht mit der Polizei reden, sondern warten, bis er einen Anwalt hat. Aber er wollte nicht. Er musste alles loswerden. Er konnte die Schuld nicht ertragen. Er sagte, er hat es zeitweilig geschafft, zu glauben, er hätte es gar nicht getan. Aber nachdem die Leiche gefunden wurde, konnte er sich das nicht mehr einreden.«
»Hat er Sie verletzt oder bedroht?«
»Nein. Er hat nur auf meinem Küchenfußboden gesessen und geweint. Er wollte nur mit mir reden, bevor er sich stellte. Er meinte, er hat sonst niemanden.«
»Und warum hat er dann nicht an Ihrer Tür geklingelt, statt einzubrechen?«
Sie zuckte wieder die Achseln. »Wahrscheinlich hätten seine Eltern ihn gehört, wenn er zur Vordertür raus wäre. Also ist er durch die Verandatür raus, über den Innenhof und durch mein Küchenfenster rein.«
Ihre Hände lagen mit gespreizten Fingern auf der Tischplatte, als wollte sie mit ihrem ganzen Gewicht darauf balancieren. Ihre Handgelenke waren so dünn und die Venen daran so blau, dass er wegsehen musste, während sie weitersprach.
»Es war Rob, der ältere Mann, der darauf bestanden hat, dass Brian zu einem Therapeuten geht. Er hat sich Sorgen um Brian gemacht. Aber Alice, ich meine Dr. French, musste den Fall melden, sobald sie erfuhr, das es zur Verführung eines Minderjährigen gekommen war.
Nur dass Brian eben denkt, dass es wahre Liebe war. Tja, nun wollten ihn aber alle überzeugen, dass er das Opfer sexuellen Missbrauchs ist. Dr. French, die Polizei, seine Eltern und Ihre Kollegen von der KiddieNet-Sonderkommission. Sie haben ihm eingetrichtert, als erster Schritt zu seiner Heilung sei es unabdingbar, dass er mit den Ermittlern kooperiert.
Dieser Rob ist vorbestraft. Er hat genau dasselbe schon mit anderen Jungs angestellt. Und als die Detectives ihm das erzählt haben, ist Brian zusammengebrochen. Er dachte natürlich, er wäre der Einzige.«
Ihre Stimme zitterte, als wollte sie gleich selbst anfangen zu heulen.
»Am Ende konnte er Rob dann doch nicht reinlegen. Er sagt, er kann sich nicht erinnern, jemals im Leben glücklich gewesen zu sein, außer in den kurzen Zeitspannen, die er mit Rob zusammen war. Der gab ihm das Gefühl, es wäre in Ordnung, er selbst zu sein, sagt er.
So dachte er nun, dass er dazu verdammt ist, einsam zu bleiben und von jedem gehasst zu werden, der ihm je etwas bedeutet hat. Er ist überzeugt, dass er an allen mindestens ein Mal Verrat begangen hat. Und dann hat er ein Verbrechen verübt, das sein Problem für ihn löst. Er muss nun nicht mehr herausfinden, wie er der sein kann, der er ist, und wie man in einer Welt leben kann, die das, was er ist, verabscheut. Er geht einfach nur ins Gefängnis.«
»Er hat immerhin Sie.«
»Das wird ihm ja mordsmäßig viel nützen.«
»Aber er ist hergekommen, um Ihnen alles zu erzählen. Es hätte viel schlimmer kommen können. Er hätte sich umbringen können. Er hätte auch noch ein Kind ermorden können.«
Sie starrte blind geradeaus, als ob sie ihn gar nicht gehört hätte. »Ich glaube ihm. Dass er es nicht gewollt hat. Der Junge stand vor seiner Tür, sagt er, und da hat Lenny ihn so an sich selbst erinnert. Dieser schlaksige blonde Knabe. Für Brian war das wie ein Spiegelbild des Hohns.
Er hat den Jungen reingeholt und vergewaltigt, bevor ihm überhaupt klar wurde, was er da tat. Er kriegte seine Wut nicht mehr in den Griff. Er hat nicht gewusst, dass er solchen Jähzorn in sich hatte. Und nachdem er den Jungen vergewaltigt hatte, verachtete er ihn dafür, dass er so schwach und wehrlos war, und verachtete sich selbst für das, was er getan hatte, und wusste, jetzt, wo er so weit gegangen war, konnte er nie wieder zurück in sein altes Leben. Nichts würde je wieder so sein, wie es vorher gewesen war. Da hat er den Jungen erwürgt. Er hat den Jungen erwürgt«, wiederholte sie, als könnte sie es immer noch nicht recht glauben.
»Die Hintertür des Geräteraums war nicht abgeschlossen. In diesem Punkt muss Mr. Donnelly gelogen haben. Ich schätze, er hatte Angst, dass sein Chef böse wird, wenn er von dieser Nachlässigkeit erfährt. Brian hat sich eine Schubkarre geholt und sie durch die Verandatür in die elterliche Wohnung gefahren. Er hat die Leiche hineingelegt und mit Müllsäcken bedeckt. Dann hat er sie über den Innenhof in den Geräteraum geschoben. Da bestand natürlich die Möglichkeit, dass einer der Nachbarn gerade zu Hause ist und ihn durchs Fenster
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