Die Farbe der Liebe
vermisste sie es jetzt, einfach nur Anweisungen zu befolgen, ohne dass irgendeine Verantwortung auf ihren Schultern lastete.
P. J. kniete noch immer auf dem harten Steinboden und fuhr sich wieder und wieder mit dem Rasierer übers Gesicht, obwohl ihm die Knie, wie sie aus eigener Erfahrung wusste, inzwischen höllisch wehtun mussten. Und sein Gesicht war längst glatt. Sie fasste ihn am Handgelenk, damit er aufhörte.
»Steh auf«, sagte sie.
P. J. gehorchte sofort. Dabei geriet ihm der Saum des Wickelrocks zwischen die Zehen, und das Kleidungsstück rutschte zu Boden, sodass er nackt dastand. Er wollte sich schon bücken, um ihn aufzuheben, aber Aurelia fuhr dazwischen.
»Nein. Lass ihn liegen.«
Er richtete sich wieder auf und wirkte dabei ein bisschen linkisch. Offensichtlich machte ihn seine Nacktheit verlegen.
Jetzt wurde er sogar rot. Aurelia stand breitbeinig vor ihm, in der provokativen Haltung, die sie so oft bei Siv gesehen hatte, wenn sie richtig sauer war. Zentimeter für Zentimeter ließ sie ihren Blick über seinen Körper wandern.
Er war kleiner als Andrei, ein bisschen schlanker und hatte ausgeprägtere Muskeln. Die breiten Schultern, die schmale Taille und die kräftigen Oberschenkel verrieten, dass er regelmäßig trainierte.
Zwar war sein Körper nicht von der perfekten Symmetrie eines Models wie Tristans, auch fehlten ihm Andreis beeindruckende Größe und Masse, dennoch hatte er gerade in dieser Unvollkommenheit etwas sehr Attraktives, was Aurelia erregte. Unter ihrem Blick hatten seine Wangen zu glühen begonnen, und sein Schwanz wurde steif. Aurelia betrachtete den erigierten Penis, der lang und gerade in einem frechen Winkel von seinem Körper abstand, als hätte er einen eigenen Willen.
Je verlegener P. J. wurde, desto größer und härter wurde sein Schwanz. Aurelia machte sich diese interessante Eigenheit zunutze. Sie ließ P. J. im Zimmer eine Runde nach der anderen drehen und beobachtete, wie bei jedem Schritt sein Schwanz und seine Hoden auf und ab hüpften.
Doch bald hatte sie dieses Spiel satt und befahl ihm, sich mit dem Gesicht zur Wand zu stellen, während sie sich badete und so prunkvoll anzog, wie es die Kleiderstange nur hergab, die über Nacht in ihrem Zimmer aufgetaucht war. Offensichtlich musste sie sich künftig selbst anziehen, und niemand würde mehr die Kleider für sie auswählen.
Sie entschied sich für ein bodenlanges Gewand aus tiefrotem transparentem Stoff, das lediglich unter dem Busen mit einer Schleife geschlossen wurde, ansonsten aber bei jedem Schritt auseinanderklaffte. Aurelia fühlte sich darin wie eine Mischung aus Königin und Vamp. Allerdings schwand dieses Gefühl rasch, als sie sich umdrehte und ihr angesichts von P. J.s Rücken einfiel, dass sie ihn zumindest an diesem Tag vorübergehend in ihrer Obhut hatte. Vielleicht aber auch in absehbarer Zukunft. Und sie hatte keine Ahnung, was sie mit ihm anfangen sollte!
Also kehrte sie zu ihren Anfängen zurück.
Aurelia erlernte die Kunst der Dominanz auf dem gleichen Weg, wie sie die Unterwerfung gelernt hatte: mithilfe des Bonsaibäumchens. Sie erklärte P. J., wie er für die Pflanze sorgen musste, ganz ähnlich wie Florence sie vor Wochen eingewiesen hatte. Dann ließ sie ihn damit allein und überlegte, womit sie ihn später beauftragen könnte.
Als Walter am Nachmittag kam, war Aurelia erleichtert. P. J. war draußen damit beschäftigt, eine Hecke zu trimmen, und Aurelia saß auf einem Klappstuhl unter dem Pagodendach und beobachtete seine Bemühungen, als sie den alten Dom durch den Garten auf sich zukommen sah.
Er wurde von zwei Helfern begleitet. Einer führte ihn am Arm, der andere trug in jeder Hand einen großen Koffer. Aurelia wurde zum ersten Mal Zeugin, dass Walter durch seine Blindheit beeinträchtigt war, und der Anblick schockierte sie.
»Hallo, Maîtresse«, begrüßte er sie locker und nicht im Mindesten unterwürfig, als er noch ein gutes Stück entfernt war. Obwohl er auf seinem Weg durch den Garten Hilfe brauchte, schien er genau zu wissen, wo und wie sie dasaß. Aurelia fand es beunruhigend, wie präzise er seine blinden Pupillen auf sie richtete, als wollte er ihr in die Augen schauen.
Seine Helfer hatten das verglaste Zimmer betreten und damit begonnen, rasch und geübt etliche Gerätschaften auszupacken, von denen Aurelia einige erkannte. Bei anderen war sie sich ziemlich sicher, dass sie sie schon zu spüren bekommen hatte, ohne exakt gewusst zu haben, welche
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