Die Farbe der Liebe
als sie auf der Suche nach der bequemsten Lage hin und her rutschte. Dabei kratzte sie sich versehentlich mit einem Fingernagel. Aurelia erschauerte. Plötzlich wurde sie von so vielen Erinnerungen, Bildern und Gefühlen überflutet, dass es ihr vorkam, als hätte sich ein geheimes Versteck geöffnet.
Die Berührungen des Fremden.
Wie seine Hände mal weich und mal fest über ihre Haut gefahren waren.
Wie er sie in Besitz genommen hatte in jener wahnsinnigen Nacht, die wie eine unergründliche Hieroglyphe in ihr Gedächtnis eingebrannt war.
Unvermittelt verlor sie sich in einem Strudel der Gefühle und zog sich in ihre ganz intime Welt zurück; sie vergaß den Raum und die leisen Geräusche, die durch das Fenster drangen; und sie schwang sich auf den Flügeln ihrer Fantasie weg aus Oakland und hinein in ein dunkles Gemäuer in Bristol, da sie mit immer stärkerem Verlangen jeden Moment der Begegnung in sich wachrufen wollte, alle Gerüche, alle Zärtlichkeiten und elektrisierenden Berührungen.
Sie leckte sich über die Lippen. Da war er wieder, der Geschmack von Granatapfel.
Als hätte sie allein durch ihr Verlangen das zarte, flüchtige Aroma der Frucht aus dem Nichts in sich heraufbeschworen.
Aurelias Herz machte einen Satz, und sie schob die Hand näher an ihr Geschlecht.
Mit geschlossenen Augen stellte sie sich vor, es wären seine Finger, und er würde wie ein unerschrockener Pionier in unbekanntes Land vordringen, er würde ihren blassen Körper wie eine Ebene erforschen und sich dem Feuer nähern, dem Vulkan, der den Kern ihres sexuellen Wesens ausmachte. Wie hatte er es wohl empfunden?
Sehr langsam machte ihr Finger sich auf den Weg zu ihrer Spalte, von der große Hitze ausstrahlte; fast unmerklich rückte er der Stelle immer näher; jedes Zögern ließ ihre Temperatur noch um einige Grade steigen und heizte zusätzlich die Glut an, die sie am Leben hielt, und nährte die innere Kraft, die ihre Empfindungen steuerte.
Langsam und genüsslich bog sie den Rücken durch. Noch ein bisschen Aufschub, um das Unausweichliche hinauszuzögern.
Nun aber hatte ihr Finger das Ziel fast erreicht. Und obwohl sie versuchte, die Erwartung auszukosten und in Vorfreude zu schwelgen, berührte ihr Finger viel zu schnell ihre Schamlippen.
Sie war nass, denn ihr Körper reagierte ganz unwillkürlich auf die vielschichtigen Empfindungen, die ihr durch den Kopf rauschten.
Aurelia strich über ihre feuchten Schamlippen, die sich samtig weich und schlüpfrig anfühlten. Kurz tat sie so, als wäre sie blind, und malte sich eine Welt aus, die sich ihr nur durch die Nerven in ihren Fingerspitzen erschließen würde. Ein ganz neues Universum, in dem man allein durch den Tastsinn überleben konnte.
Ihr forschender Finger glitt in sie hinein – so wie seiner damals –, er tastete, erkundete und war nun ganz von ihrer tobenden Hitze und von glühender Lust umfangen. Wie hatte es sich wohl für den Fremden angefühlt, als sein Schwanz in ihr war und von solch sündigem Feuer umschlossen war?, musste Aurelia sich unweigerlich fragen. Wie gern wäre sie einmal ein Mann, nur für einen Tag, nur um es zu erfahren.
Der Versuchung, den zweiten Finger in sich hineinzuschieben, war überwältigend, aber sie hatte nicht vor, auf diese Weise zum Höhepunkt zu kommen. Stattdessen zog sie die Hand weg und drehte sich auf den Rücken. Dann spreizte sie die Beine und begab sich mit dem Zeigefinger auf die Suche nach der harten Knospe ihrer Klitoris; und sie begann mit zärtlichem Kreisen den stürmischen Tanz, wobei ihre anderen Finger geübt in die harmonischen Bewegungen einfielen und sanft zwischen ihre feuchten Schamlippen glitten.
Tief holte sie Luft. Hinter ihren Augenlidern lief ein wirrer Film ab, in dem die Erinnerungen an jene Nacht in Bristol mit Traumelementen und Angstvorstellungen verschmolzen. Genaueres erkannte sie aber nicht, weil die Bilder mal scharf und mal unscharf waren. Verdammt, wenn es doch damals bloß nicht so dunkel gewesen wäre, könnte sie sich heute vielleicht besser an ihn erinnern – an Einzelheiten seines Gesichts, die Farbe seiner Augen, an die Falten, Furchen und kleinen Schönheitsfehler seiner Haut. So blieben ihr nur seine Stimme, sein Geruch und der Sex, den sie mit ihm erlebt hatte, so berauschend er auch gewesen war.
Die tektonischen Platten ihrer Lust begannen sich zu verschieben; kaum merklich verlagerte sich in ihrem Innern das Gleichgewicht. Ihre Sehnsucht und ihr Gefühl der Leere wurden
Weitere Kostenlose Bücher