Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
Vom Netzwerk:
Schattierungen des Regenbogens. Knisternde Seide und raschelnde Baumwolle waren geschickt und einfallsreich um Frauen- wie auch um Männerkörper drapiert. Es war der reinste Augenschmaus.
    Einen Augenblick lang war Ange wegen seines tristen, schlichten Anzugs schrecklich verlegen, doch die lebhafte Menge schien ihn nicht zu bemerken. Kein skeptischer Blick streifte ihn, keine Augenbraue hob sich angesichts seiner Aufmachung. Und so wärmte er sich nach der kühlen Nachtluft wieder auf und ließ sich von seiner Neugier treiben.
    Eine innere Stimme sagte ihm, dass er hier auf dem berühmten Ball war, über den Casanova geschrieben hatte – der Gral, den er sein ganzes Leben lang gesucht hatte, schien gefunden.
    Einzelne Stimmen lösten sich aus der Menge, er hörte eine Vielzahl von Sprachen. Da er die meisten nicht verstand, entfaltete der summende und brummende Geräuschteppich eine hypnotische Kraft und führte dazu, dass er sich erst recht wie ein Fremder in einem fremden Land fühlte.
    Diener in schwarzen Umhängen und mit weiß gepuderten Gesichtern starrten durch die schmalen Augenschlitze ihrer Masken. Sie gingen zwischen den Gästen umher und reichten ihnen hohe, blaue Gläser mit süßem Wein. Nach dem ersten Glas schnappte sich Ange rasch das nächste und kippte den Inhalt gierig auf einmal hinunter. Die köstliche Flüssigkeit rann sanft durch seine Kehle und wärmte sein Inneres. Fast unverzüglich nahm er alles viel deutlicher wahr, vor allem als er sich auf die ausgefallene Aufmachung der vielen Gäste konzentrierte. Ange blieb stehen, um sich zu orientieren.
    Die Menschen schlenderten durch den großen, hohen Raum, als würden sie sich in Strömen hindurchwinden. Farben überlagerten und vermischten sich, verschmolzen ineinander und brachten immer wieder neue Schattierungen hervor, wie Öl auf einer schimmernden Flüssigkeit.
    Ange wurde von glückseligem Taumel erfasst.
    Da teilte sich der Pulk vor ihm, und einige hochgewachsene Frauen, deren mit Juwelen bestickte Roben ihre bloßen Schultern und üppige Kurven zeigten, eilten so dicht an ihm vorbei, dass das feine Gewebe ihrer Krinolinen kurz seine Hand streifte. Ihre Haut schimmerte wie Porzellan, fast weißer als weiß. Ange konnte nicht anders, er musste ihnen folgen, als sie sich ihren Weg durchs Getümmel bahnten und schließlich durch eine riesige Bogentür in einen noch größeren Saal schritten. Laut fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
    Was er dann sah, verschlug ihm den Atem. Vor ihm stand in der Mitte des Saals ein riesiges Wasserbecken aus Glas, an dessen gläsernen Wänden in regelmäßigen Abständen farbige Bäche in Blau und Rot herunterzufließen schienen wie Lava. Eindrucksvoll ragte das Gebilde hoch über den Köpfen der staunenden Zuschauer auf. Bestimmt war es auf der nahen Insel Murano entstanden, überlegte er, wo die weltberühmten Glasbläser arbeiteten.
    Das Wasser darin schimmerte im Licht der Fackeln, die den ganzen Raum erhellten und im Innern des Behälters ein Diorama aus Feuer und Schatten schufen. In den Anblick des seltsamen Gefäßes versunken und noch mit der Frage beschäftigt, wie er die eigenartige Situation beurteilen solle, in der er sich befand, hörte er Wasser aufspritzen. Sechs Frauen waren eingetaucht und schwammen hinter dem dicken Glas, und es schien, als würde die transparente Wand zwischen ihnen und den Zuschauern die Blässe ihrer nackten Körper noch betonen.
    Es waren die Frauen, denen er hinterhergegangen war. Ihre Kleider hatten sie achtlos auf den Steinboden geworfen.
    »Der Abend beginnt«, tat eine tiefe Bassstimme hinter ihm kund. Doch Anges Aufmerksamkeit galt allein dem Schauspiel, das sich vor ihm entfaltete; er schenkte dem Mann keinen Blick.
    »Ob es dieses Jahr wohl der Tierkreis ist? Er soll schon seit über hundert Jahren nicht mehr Motto des Balls gewesen sein«, überlegte eine Frau mit hoher Stimme.
    »Vielleicht das Zeichen der Fische?«, sagte ein anderer, an dessen Stimmhöhe sich nicht erkennen ließ, ob es ein Mann oder eine Frau war.
    Die nackten Frauen hatten sich inzwischen am Innenrand des großen Beckens aufgereiht, hielten mit Beinschlag Position und wirbelten dabei Wasser auf, das in kleinen Strudeln um ihre wohlgeformten Glieder floss. Ange betrachtete sie gebannt. Ihre Körper waren so vollkommen, als wären sie aus kostbarem Marmor gemeißelt, ihre Haut straff wie eine gespannte Leinwand, und jedes Detail ihres majestätischen Körperbaus erschien durch das Glas

Weitere Kostenlose Bücher