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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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ähnlicher Weise kontaktiert hatte.
    Einerseits war sie erleichtert, ein Lebenszeichen von Siv erhalten zu haben, andererseits war sie auch sauer. Sie fand es ziemlich egoistisch von ihrer Freundin, sie einfach so im Stich zu lassen.
    Warum war Siv denn nicht bei ihr in Oakland vorbeigekommen, hatte ihr alles erklärt und ihre Sachen mitgenommen, bevor sie zu Walter oder zu welchem Galan auch immer zog? Das war einfach nur rücksichtslos. So verhielt sich eine gute Freundin nicht.
    Inzwischen war ein Brief von Gwillam Irving eingetroffen, der ihre Laune keineswegs besserte. Der Rechtsanwalt wollte offenbar mal hören, was sie denn so machte, und sie an ihre Verpflichtungen gegenüber dem Treuhandfonds erinnern. Vielleicht war er ja im Bilde darüber, dass Aurelia noch überhaupt nichts unternommen hatte, um sich in Berkeley einzuschreiben. Hinzu kam noch, dass seit Sivs Verschwinden jeder Versuch, das Herz wieder herbeizuzaubern, völlig vergeblich gewesen war, egal, ob sie sich selbst berührte oder sich vorzustellen versuchte, dass es der Fremde aus der Kapelle in Bristol tat.
    Sie beschloss, etwas dagegen zu unternehmen.
    Aurelia wusste, dass es unvernünftig, ja sogar gefährlich war. Aber sie war entschlossen herauszufinden, ob sich das Herz auch dann zeigte, wenn sie mit einem anderen Mann schlief. Das unsichtbare Tattoo hatte ein Loch in sie gerissen und saugte wie ein Strudel all ihre Gedanken in sich hinein. Jetzt suchte sie Antworten, koste es, was es wolle.
    Bars kamen jedoch nicht infrage – sie hatte nun oft genug die Erfahrung gemacht, dass sie in Amerika überall nach ihrem Ausweis gefragt wurde. Wo sollte sie also ihr Glück versuchen?
    Da fiel ihr der Brief von Irving, Irving & Irving ein, und sie beschloss, nach Berkeley zu fahren und sich nach der nächsten Einschreibung für die Kurse zu erkundigen, die sie sich bereits in Leigh-on-Sea ausgesucht hatte. Dazu wählte sie ihren kürzesten Rock, einen gemusterten Tweedfummel, der kaum bis zur Mitte der Oberschenkel reichte und vorteilhaft ihre langen Beine betonte, und ein knallenges, tief ausgeschnittenes weißes T-Shirt. Sivs schwarze Lederjacke machte das Outfit komplett. In dieser Aufmachung war sie nicht gerade das Musterbild der eifrigen Studentin, aber sie wollte die Fantasien ja in eine andere Richtung lenken. Obwohl sie so zugegebenermaßen nicht mehr viel der Fantasie überließ.
    Aurelia hatte sich bisher keine große Mühe gegeben, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen, und so war es ihr etwas peinlich, in einem solchen Aufzug herumzulaufen. Nachdem sie im Immatrikulationsbüro eine dicke Mappe mit allen möglichen Anmeldeformularen erhalten hatte, schlenderte sie kreuz und quer über den Campus. Doch hochgewachsene blonde Mädchen gab es hier viele, die meisten sogar braun gebrannt, und sie erregte keine besondere Aufmerksamkeit. Der kalte Wind überzog ihre nackten Beine mit Gänsehaut, und sie flüchtete in die Bibliothek. Offenbar stimmte, was sie über amerikanische Unis gelesen und auch in vielen Filmen und Fernsehserien gesehen hatte: Die Konkurrenz war hier groß, und ihre käsigen Beine erwiesen sich nicht gerade als Pluspunkt.
    Der holzgetäfelte, hohe Lesesaal war mit langen Tischen ausgestattet. Durch die großen Erkerfenster sah man, dass die Blätter der Bäume sich im Wind bewegten, was Aurelia anfangs ablenkte. Sie hatte sich mit einem Stapel Bücher niedergelassen, die sie sich recht willkürlich aus den Regalen gegriffen hatte. Es waren hauptsächlich Romane, die sie immer schon mal lesen wollte, und sie blätterte darin in der Hoffnung, sich irgendwo festzulesen und ein paar angenehme Stunden im Warmen zuzubringen.
    Schließlich verschanzte sie sich hinter einem Bücherstapel, der ihr die Sicht auf die Fenster verdeckte, und entschied sich für einen Roman von Haruki Murakami. Von diesem japanischen Autor hatte sie noch nie etwas gelesen, interessierte sich aber für ihn, seit sie einmal in einer Fernsehsendung erfahren hatte, dass er komplizierte Liebesgeschichten schrieb, in denen es unter anderem auch um Katzen und Jazz ging. Und die Cover seiner Bücher, die sie in England gesehen hatte, fand sie auch cool. Das Buch, das sie in der Hand hatte, besaß allerdings keinen Schutzumschlag mehr.
    Aurelia hatte etwa zwanzig Seiten gelesen, als sie das Gefühl hatte, von hinten beobachtet zu werden, so ähnlich wie damals in London, als sie vom Anwalt zum Bahnhof gegangen war. Sie wollte sich schon im Lesesaal

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