Die Farbe der Liebe
wie zerschlagen an, und in ihrem Kopf nistete die Teilnahmslosigkeit wie eine Spinne.
Irgendwo tief in ihrem Innern wusste sie, dass die Welt da draußen auf sie wartete, ja geradezu nach ihr rief. Aber etwas hielt sie zurück. Die Angst vor der Wahrheit, ihre inneren Dämonen?
Oft, viel zu oft, zog sie den Saum ihres Nachthemds hoch und schaute nach, ob sich auf ihrem Unterleib, dieser blassen, weißen Ebene, durch die sich die zarte Spalte ihrer Möse zog, das rote Herz zeigte. Doch vergebens. Sie hoffte so sehr, dass es wiederkehren würde, aber es blieb unsichtbar, verhöhnte sie mit seiner Abwesenheit, säte Verwirrung und Zweifel. War es überhaupt je da gewesen – war sie nicht vielleicht doch ver rückt? Immer wieder berührte sie sich selbst, steckte den Finger tief in ihre feuchte Öffnung, spielte mit sich und versuchte, das alte Feuer zu entfachen, doch vergebens. Manchmal glaubte sie, etwas zu spüren. Dann war ihr, als würde eine Feder genau über die Stelle streichen, an der das Herz in dem fein gezeichneten Flammenkranz einst erschienen war. Doch wenn sie nachsah, war da nichts, nur glatte weiße Haut, und das Gefühl war bloß ein Echo, eine Leere, wo einst Fülle gewesen war.
Dann wieder überkam es sie in unerwarteten Momenten, wenn sie in der Küche die Spülmaschine ausräumte oder endlich mal den Wäscheberg wegbügelte. Plötzlich waren ihre Gedanken bei der Ausstellung, und sie sah vor ihrem inneren Auge eine Handfläche, die kräftig auf einen weißen Hintern klatschte, und einen rosaroten Fleck, der sich wie Wasser über eine Landschaft aus weichem Fleisch ausbreitete und es mit einer Art von innerem Leuchten erfüllte. Dann begann es in ihr zu kribbeln, und in der Hoffnung, das Flammenherz wieder auf die Haut zu zaubern, versuchte Aurelia, sich ihren Empfindungen zu überlassen.
Bis zu jenem schicksalhaften Abend, der nun einen Monat zurücklag, hatten Schläge und Fesseln nicht zu ihren erotischen Fantasien gehört. Sie verstand nicht, was an Schmerzen reizvoll sein sollte, ja, sie fand die Vorstellung geradezu lächerlich. Und dann all das andere, das sie dort staunend beobachtet hatte, vor allem die vermummten Frauen, deren Bewegungen Walter mit äußerster Autorität kontrolliert hatte. Wie hatte das an ihren Nerven gezerrt. Zwischen Neugier und Abscheu schwankend, war sie am Ende völlig verwirrt gewesen.
Aurelia schloss die Augen. Sie rief sich die festen Hände des Fremden in der dunklen Bristoler Kapelle ins Gedächtnis, mit denen er entschlossen in das nachgiebige Fleisch ihres Hin terns gegriffen hatte, als er tief in sie eindrang. Oder wie er mitten im Wirbelsturm der Gefühle, in dem sie versank, ihre Handgelenke gepackt hatte, während er sich in sie grub. Sie hatte es genossen, wie er sie genommen, wie er sie beherrscht hatte. Wäre es genauso gewesen, wenn er ihre Handgelenke mit einem Seil zusammengebunden hätte? Und ihre Knöchel? Und sie jeder Bewegungsfähigkeit beraubt hätte?
Aurelia erschauerte.
War es das, wonach sie sich in ihrem Innersten sehnte? Sicherlich nicht. Aber je öfter diese Bilder, die tief in ihrem Kopf nisteten, ihr vor Augen traten, desto stärker spürte sie ein Kribbeln, einen tückischen Nervenkitzel. Es war ein Flirt mit Tabus, von deren Existenz sie bisher nichts geahnt hatte.
Und wieder einmal spreizte sie weit die Beine und schob die Hand unter die Bettdecke. Aus dem Tanzstudio im unteren Stock drangen die Klänge der Nussknacker-Suite herauf. Es war ein Vormittag, die Ballettstunde für die Kleinen, lauter Mädchen mit Zahnlückenlächeln in rosa Tutus.
Bevor sie ihre anschwellenden Schamlippen erreichte, wanderte ein Finger zu der Stelle ihrer seidenglatten Haut, an der manchmal die Tätowierung erschien, und streichelte sie. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, wurde ihr Herz von einer heißen Welle erfasst, die mit rasender Geschwindigkeit in ihren Unterkörper brandete. Aurelia stöhnte auf. Rasch zog sie den Arm unter der Bettdecke hervor, sprang aus dem Bett und stürzte ins Bad. Mit einem Schlag waren all ihre Sinne so heftig entbrannt, dass sie das Bedürfnis nach einer kalten Dusche hatte, um sich unter Kontrolle zu bringen. Sie warf das dünne Nachthemd ab, drehte das Wasser auf – und sah sich selbst im großen Spiegel.
Da war es wieder, das Herz. Ganz deutlich. Wie eingebrannt. Seine Flammenzungen reckten und schlängelten sich wie Äderchen unter ihrer Haut. Und je länger sie auf das Tattoo sah, das eigentlich gar
Weitere Kostenlose Bücher