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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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egoistischer Holzkopf er doch war, dass er ihr wegen seiner eigenen kleinkarierten Sehnsüchtelei den Trost verweigern wollte, den sie gerade jetzt so dringend brauchte.
    Er atmete einmal tief durch und ging zu ihr hinunter.
    Der Docht der kleinen Öllampe, die sie in einem der Schapps gefunden hatten, war fast heruntergebrannt und blakte nur noch müde. Ihr schwacher, matter Lichtschein fiel kaum bis ins Vorschiff, wo Lina in die Decke eingewickelt lag. Vorsichtig tastete Ole sich durch den schmalen Durchgang und kroch neben sie. Sie lag mit dem Rücken zu ihm und hatte ihr Gesicht in ihrer Strickjacke vergraben. Zögerlich streckte er seine Hand aus und strich ihr sachte über das Haar und die Schulter. Nach einem Moment hörte sie auf zu weinen, bewegte sich aber nicht und sagte nichts. In der Stille wusste Ole einen fürchterlichen, unsicheren Augenblick nicht, was er tun sollte. Aber gerade als er sich abwenden wollte, griff sie nach seiner Hand und zog sie zu ihrer Seite herüber. Ihre Finger umschlossen die seinen, und sie schmiegte sich eng in Oles Arm, der sie nun umschloss.
    So nah an ihrem Rücken liegend wagte Ole nicht, sich überhaupt zu bewegen. Fühlte lediglich ihrem Atem auf seinen Fingerspitzen nach, der kurze Zeit später ruhig und gleichmäßig wurde. Sie war eingeschlafen. Aber selbst jetzt hielt sie seine Hand noch fest umschlossen.
    Ole fühlte, wie sich die Anspannung in ihm löste. Er legte den Kopf neben ihren und schloss die Augen.
    *
    Nach der kräftigen Brise des vergangenen Tages war der nächste Morgen strahlend hell und nahezu windstill. Es versprach ein heißer Tag zu werden.
    »Ein richtiger Sommerferientag«, wie Lina beim Frühstück aufgeräumt bemerkte.
    Ole registrierte erleichtert, dass sie kräftig aß und anscheinend ihre niedergeschlagene Stimmung von gestern hinter sich gelassen hatte. Sigur erwähnte sie mit keiner Silbe. Allerdings auch nicht die Tatsache, dass sie die vergangene Nacht, wenn auch nur platonisch, in Oles Armen verbracht hatte.
    Ihr Blick war wieder klar und nach vorne gerichtet, auf das was vor ihnen lag.
    Sie entschieden, nicht bei Tageslicht weiterzufahren. Die Gefahr, dem Schnellboot zu begegnen oder von der schwedischen Polizei gesehen zu werden, war einfach zu groß. Und das Treffen mit dem Kontaktmann in Smögen sollte ohnehin erst am Abend des nächsten Tages stattfinden.
    Also hatten sie für heute noch einmal alle Zeit der Welt, und sie fühlten sich auf Bassholmen sicher genug, um das auch tatsächlich ein wenig zu genießen.
    Den Morgen und den Vormittag verbrachten sie damit, einige der schlimmeren »Schussverletzungen« im Aufbau und Rumpf der Lotten zu reparieren. Trotz Oles eigenen Wunden kamen sie gut voran, und gegen Mittag konnten sie damit beginnen, die Unordnung unter Deck zu beseitigen.
    Was sie an Nützlichem fanden, bekam einen neuen Platz, der Rest wanderte in einen großen Sack, den sie mit vereinten Kräften an Land schafften und neben dem Bootsbauerschuppen abluden. Dort fanden sie auch einige alte Kanister, in denen dem Geruch nach noch ein paar Reste von Benzin waren. Ole schüttete alles zusammen in einen Eimer, reinigte es mit einem Sieb und fütterte damit den Brennstofftank der Yacht.
    Schließlich machten sie sich daran, Rumpf, Deck und Cockpit der Lotten einer gründlichen Reinigung mit Pütz und Schrubber zu unterziehen. Als ein Schwall Wasser aus Linas Eimer versehentlich auf Ole anstatt im Cockpit landete, sahen sie sich mit einem Mal in eine regelrechte Wasserschlacht verwickelt. Ausgelassenen wie zwei Ferienkinder planschten sie herum, bis sie klatschnass und lachend an Deck saßen. Danach ließen sie sich die Kleider von der Sonne am Leib trocknen und bemerkten verwundert, dass das fremde, eigentlich gestohlene Boot sich wie ihr gemeinsames eigenes anzufühlen begann.
    Den Rest des Tages faulenzten sie dösend im Schatten der Bäume, über belangloses Zeug redend und kaum einen Gedanken an ihre Feinde oder die gefährliche Aufgabe verschwendend, die noch vor ihnen lag.
    Oles Verletzung am Arm schmerzte, jedoch nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte, und als Lina die Verbände wechselte, stellte sie erleichtert fest, dass sich nichts zu entzünden schien.
    Erst nachdem die Sonne abermals untergegangen war, verließen sie Bassholm.
    Mit dem letzten Licht tuckerten sie unter Motor durch den schmalen Håleström und den Getevikssund. Die steilen Ufer waren mit Fichten und Tannen bewaldet und erinnerten Ole an das

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