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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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halsbrecherische Querung des Anholt-Riffs?
    Sobald die Skagerrak aus der gefährlichen Passage heraus und ihr Verfolger zurückgeblieben war, hatte der Konteradmiral zusätzlich zu Fock und Besan das Großsegel und das zweite, Flieger genannte, Vorsegel setzen lassen. Viel zu viel Segelfläche für diesen Starkwind. Die Yacht ächzte und stöhnte bis in die Spanten, und überall in ihrem Inneren leckten Wasserrinnsale durch die unter der Last arbeitenden Plankenstöße, Fugen und Luken. Die Segel knatterten schmerzhaft im Wind, wann immer die Skagerrak in einer Welle zu stark anluvte, und ihre Schoten und Fallen waren bis zum Bersten belastet.
    Was hatte von Wellersdorff zu verbergen oder zu befürchten, dass er sie nachts und bei Sturm unter Vollzeug durchs Kattegatt prügelte? Wovor mochte er auf der Flucht sein?
    Eine dunkle, beklemmende Erinnerung stieg in Ole auf und ließ ihn mehr frösteln als die Nässe, die klamm und salzig unter sein Ölzeug gekrochen war. Ein paar Worte, die er vor einem Dreivierteljahr unfreiwillig an Bord einer anderen Segelyacht aufgeschnappt hatte.
    Hochverrat. An die Wand stellen.
    Gab es eine Verbindung zwischen den seltsamen Geschehnissen von damals und jenen von heute?
    Ole warf einen verstohlenen Blick zum Konteradmiral hinüber, der nach wie vor am Ruder der Yacht stand. Sein Gesicht wurde von unten herauf von der Kompassbeleuchtung beschienen, der einzigen Lichtquelle an Bord. Vergeblich versuchte Ole, darin zu lesen. Seine Züge waren wie versteinert, sein Blick starr auf den Horizont geheftet.
    Dort, genau voraus, lag ein dünner, silberner Streif auf der Kimm. Eine ferne, schwache Ahnung jener warmen nordischen Sommernächte, in denen es zur Mitternacht immer noch taghell war, und um drei Uhr früh schon wieder. Inzwischen musste es bereits vier sein, aber noch immer umfing sie die Finsternis des Sturmes.
    Immerhin verriet dieser kleine Schimmer am Horizont Ole die Richtung, in die sie segelten. Nach Norden! Wollte der Konteradmiral also wirklich nach Marstrand segeln, wie er gesagt hatte? Und wenn ja, wer waren die Männer, die von Wellersdorff dort zu treffen hoffte?
    Plötzlich wurde Ole von einem Ruf aus seinen Gedanken gerissen.
    »Positionslichter backbord achteraus!«
    Das Schnellboot! Das war Oles erster Gedanke. Es hatte sie doch noch eingeholt!
    Mit einem Schlag waren alle an Deck hellwach und starrten nach hinten in die Dunkelheit. Etwas mehr als eine Meile achteraus waren ein grünes Licht und darüber zwei weiße Toplaternen auszumachen, die sich in ihre Richtung bewegten.
    Sie selber segelten ohne Positionslichter. Vielleicht hatte ihr Verfolger sie noch nicht gesehen.
    »Schoten fieren!«, kommandierte von Wellersdorff. »Klar zum Abfallen!«
    Bisher war die Skagerrak hoch am Wind in nördliche Richtung gesegelt, jetzt lief sie vor dem Wind nach Südosten ab. Im rechten Winkel aus der Kurslinie ihres Verfolgers heraus.
    Die Anspannung an Deck war mit Händen zu greifen. Wie würde der andere reagieren? Würde er ihrer Kursänderung folgen?
    Es dauerte eine ganze Weile, bis bei der schlechten Sicht klar wurde, was vor sich ging.
    »Behält seinen Kurs bei«, brummte Rausch, und die Erleichterung war ihm anzumerken. »Hat uns scheinbar gar nicht gesehen.«
    »War auch zu groß für das S-Boot«, raunte von Wellersdorff Rausch leise zu, und Ole verstand ihn nur, weil er direkt daneben stand. »Allerdings eindeutig eins von unseren Schiffen. Zerstörer vermutlich oder ein Versorger. Besser, wir fahren noch ein Stückchen weiter in diese Richtung, bevor wir zurück auf Kurs gehen. Sicher ist sicher.«
    Eine knappe halbe Stunde nachdem das andere Schiff in der Dunkelheit verschwunden war, nahm der Wind noch einmal kräftig zu. Die Skagerrak legte sich hart auf die Seite und luvte unkontrolliert in den Wind. Wellen überspülten das Laufdeck in Lee bis an den Aufbau, und mit ohrenbetäubendem Lärm begannen die Segel im Wind zu schlagen, dass Ole dachte, sie müssten jeden Moment in Fetzen vom Mast gefegt werden.
    »Klarmachen zum Bergen von Großsegel und Flieger!«, schrie der Konteradmiral gegen das infernalische Heulen des Windes an. Gleichzeitig stemmte er sich ins Ruder, um die Yacht zurück auf Kurs zu bringen.
    Als Rausch gerade Richard und zwei Kadetten eine Aufgabe zuteilen wollte, rief der Konteradmiral: »Decksmeister, der Kadett Korfmann geht in den Bug! Und zwar allein!«
    Ole erschrak. Das Zusammenschnüren des heruntergelassenen, wild im Wind

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