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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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junge Frau. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie über Bord springt und dann einfach ertrinkt.«
    Das konnte Ole allerdings auch nicht. Er war erleichtert, dass der Konteradmiral es ebenso sah.
    »Und was wird aus uns?«, fragte er nach einer Weile vorsichtig.
    Der Konteradmiral sah ihn nachdenklich an.
    »Was dich angeht, so hoffe ich, dass sie einsehen, dass du nichts mit unserer … Verschwörung zu tun hast. Was uns andere betrifft, den Professor, seine Leute und mich, so gebe ich mich keinerlei Illusion hin. Wenn sie mit uns fertig sind, stellen sie uns an die Wand.«
    An die Wand. Wie damals, als Ole von Wellersdorff an Bord der Lydia zum ersten Mal von dieser Gefahr hatte sprechen hören, richteten sich seine Nackenhaare auf. Nur dass es sich diesmal kälter anfühlte. Es war keine vage Gefahr mehr. Es war grausame Gewissheit.
    »Dann war also alles völlig umsonst!«
    Mutlos schüttelte Ole den Kopf.
    »Nicht völlig.«
    Von Wellersdorff brachte ein schmales Lächeln zustande.
    »Solange sie die Pläne nicht gefunden haben, werden sie nie ganz sicher sein können, dass sie nicht doch in die Hände der Alliierten gelangt sind. Das alleine ist schon ein kleiner Sieg!«
    »Aber … wenn die Pläne auf der Yacht sind, werden sie sie früher oder später finden müssen.«
    Der Konteradmiral schüttelte entschieden den Kopf.
    »Nein, das werden sie nicht! Das Versteck ist zu gut! Vermutlich werden sie es sogar selber von Bord schaffen, ohne es zu merken!«
    Plötzlich hörten sie aus dem Gang vor der Zellentür entfernte Schritte und Stimmen.
    »Schnell!«, zischte der Konteradmiral. »Hilf mir auf den Boden zurück!«
    Ole verstand zunächst nicht warum, aber er stützte den Konteradmiral, als dieser sich unter Schmerzen zurück an die alte Stelle legte, und breitete wie zuvor die Decke über ihn.
    »Du musst so tun, als ob ich gar nicht erst zu Bewusstsein gekommen bin!«, sagte er. »Das ist deine einzige Chance!«
    Dann griff er noch einmal nach Oles Hand und dieses eine Mal schien das sonst so kühle Grau seiner Augen warm und blau wie die See an einem windstillen Sommertag.
    »Viel Glück, Junge!«
    Damit zog er sich selber die Decke über das Gesicht und bewegte sich nicht mehr.
    Drei Sekunden später drehte sich ein Schlüssel im Schloss, und die Zellentür schwang auf. Zwei Männer der Schnellbootbesatzung traten ein, gefolgt von Strasser. Ole starrte ihn feindselig an, doch der Kaleu beachtete ihn nicht. Seine
    Aufmerksamkeit galt dem in die Decke gewickelten Körper zu seinen Füßen.
    »Los, hoch!«, bellte er und stieß von Wellersdorff mit der Stiefelspitze an.
    »Hören Sie doch auf!«, zischte Ole. »Was wollen Sie noch von ihm? Sie haben ihn doch umgebracht! Genau wie Rausch!«
    Inständig hoffte Ole, dass das grimmige Gesicht, das er zur Schau stellte, ausreichte, um die Lüge seiner Ahnungslosigkeit zu überdecken.
    »Unfug! Er lebt!«, knurrte Strasser unwillig zurück, aber Ole konnte auch eine winzige Verunsicherung in seiner Haltung erkennen.
    »Los, sieh nach!«, befahl er einem seiner beiden Begleiter.
    Von Wellersdorffs Gesicht blieb absolut unbewegt, als der Matrose die Decken zurückschlug und ihn unsanft abtastete. Mit Erleichterung sah Ole, dass sich nicht einmal die Augäpfel unter den Lidern bewegten.
    »Sein Herz schlägt. Aber er scheint tatsächlich noch bewusstlos zu sein.«
    »Zur Seite!«, blaffte Strasser.
    Der Mann gehorchte und wich zurück. Strasser trat von Wellersdorff mit voller Wucht mehrmals in die Seite.
    Ole schnappte nach Luft. Unmöglich, dass der Konteradmiral dies ohne Schmerzenslaute oder zumindest ein Stöhnen hinnehmen konnte.
    Unfassbarerweise zeigte von Wellersdorff nicht die kleinste Reaktion. Mit Beherrschung hatte das nichts mehr zu tun. Er musste, als er die Decke über den Kopf zog, seine eigene Ohnmacht herbeigeführt haben. Ole hatte von Menschen gehört, die das konnten. Eine andere Erklärung gab es nicht.
    »Besorgt einen Arzt!«, befahl Strasser. »Er muss durchhalten, bis er in Berlin vors Tribunal kommt.«
    Einer der beiden Schnellbootmänner verschwand. Dann packte Strasser Ole unsanft am Kragen und stieß ihn dem zweiten Bewacher in die Arme.
    »Mitkommen!«
    »Wo ist das Versteck?«, fragte Strasser zum dritten Mal, und Ole gab wieder dieselbe Antwort, er wisse es nicht.
    Sie befanden sich in einer Wachstube der Festung, deren kleine Fenster von oben auf den Kasernenhof hinabblickten. Zwei Schnellbootmänner standen neben der Tür. Sie

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