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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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er in den Segelsack hatte stopfen müssen. Wenn er schon keine Seebestattung bekam, dann hoffentlich wenigstens ein anständiges Begräbnis an Land.
    Das Schreien der Möwe verstummte, und als Ole aufstand, um besser aus dem Gitterfenster sehen zu können, war sie bereits davongeflogen.
    Ole sank auf die Pritsche zurück, zog Arme und Beine eng an den Körper und schloss die Augen.
    *
    Er hatte tief und traumlos geschlafen. Als er erwachte, sickerte bereits fahlblaues Morgenlicht durch das Gitterfenster. Sofort wusste Ole, dass er nicht mehr alleine in der Zelle war.
    Ruckartig fuhr er hoch. Eine Gestalt lag in eine Decke gewickelt auf dem nackten Steinboden der Zelle. Ein leises Stöhnen war zu hören.
    Ole huschte hinüber und schlug die Decke zurück.
    Es war von Wellersdorff.
    »Ole … bist du das?«, fragte er schwach und blinzelte.
    »Ja.«
    Irgendwie hatte Ole erwartet, dass der Konteradmiral übel zugerichtet sein würde, aber er konnte keinerlei offene Verletzungen erkennen. Dennoch schien von Wellersdorff heftige Schmerzen zu haben und am Ende seiner Kräfte zu sein. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, und die Augen, mit denen er Ole anblickte, glänzten fiebrig. Die Folter, die sie angewendet hatten, musste aus Schlimmerem als aus Schlägen bestanden haben, dachte Ole und merkte, wie ihm flau wurde.
    »Was haben die mit Ihnen gemacht?«
    »Nach den Plänen gefragt«, antwortete von Wellersdorff, und mit dem Anflug eines grimmigen Lächelns schien ein Teil seiner Lebensgeister zurückzukehren. »Was bedeutet, dass sie das Versteck an Bord immer noch nicht gefunden haben!«
    Ole war erleichtert.
    »Und wo ist das?«
    Noch während ihm die Worte herausrutschten, sah Ole ein, dass es töricht war, danach zu fragen. Von Wellersdorff schüttelte den Kopf. Er würde es ihm nicht verraten.
    »Wenn du Glück hast, lassen sie dich in Frieden. Vielleicht haben sie mich aber auch nur deswegen hier in diese Zelle gebracht, weil sie glauben, dass ich dir alles verrate. Dann werden sie dich ebenfalls verhören.«
    Foltern, hätte er ebenso gut sagen können. Ole erbleichte.
    »So oder so ist es besser für dich, wenn du es nicht weißt!«, nickte von Wellersdorff. »Hast du was zu trinken?«
    Ole griff nach dem Tonkrug mit Wasser, der unter der Pritsche stand, half dem Konteradmiral, sich aufzurichten und den Krug an den Mund zu führen.
    »Der Einzige, der das Versteck außer mir kannte, war Heribert«, fuhr von Wellersdorff fort, als er getrunken hatte. »Aber sie haben ja selber dafür gesorgt, dass sie ihn nicht mehr fragen können.«
    Bittere Erinnerungen strömten auf Ole ein. Und Schuldgefühle. Hatte nicht er selber alles ins Rollen gebracht, indem er Rausch und von Wellersdorff erzählt hatte, dass Lina den Koffer des Physikers über Bord geworfen hatte? Hätte er nur geschwiegen! Die verfluchten Pläne lägen noch auf dem Grund der Förde, und Heribert Rausch wäre noch am Leben.
    Der Konteradmiral schien in seinem Gesicht gelesen zu haben. Mit leiser Stimme sagte er: »Du fragst dich, ob das alles seinen Tod wert gewesen sein kann?«
    Ole senkte den Blick und nickte.
    »Die Antwort lautet: ja. Sein Leben – genauso wie meines, das vermutlich bald vor einem Standgericht enden wird – liegt in der Waagschale gegen viele tausend andere Leben. Unschuldige Menschen, deren Tod wir zu verhindern versuchen.«
    Ole verstand.
    »Hülsmeyers Waffe«, murmelte er. »Ist sie wirklich so schlimm, wie Korfmann behauptet?«
    »Schlimmer!«, antwortete von Wellersdorff mit einer Stimme, die Ole die Kehle eng werden ließ. »Ich habe versprochen, dir ein paar Dinge zu erklären, wenn alles vorbei ist. Nun, es sieht ganz danach aus, als sei jetzt alles vorbei, nicht wahr? Wenn auch anders als erhofft … Komm, hilf mir!«
    Er streckte die Hand aus und ließ sich unter Stöhnen von Ole auf die Beine und hinüber zur Pritsche helfen. Die Schmerzen, die er bei jeder seiner Bewegungen litt, standen ihm ins Gesicht geschrieben, und als er endlich saß, brauchte er eine ganze Weile, bis er weitersprechen konnte.
    »Als Hülsmeyer begriffen hatte, welche Höllenmächte er zu entfesseln im Begriff stand, und als der Krieg immer wahrscheinlicher wurde, wollte er seine Formeln und Konstruktionszeichnungen vernichten. Aber dafür war es bereits zu spät. Er befürchtete, dass einer seiner Assistenten, der gleichzeitig als Spitzel auf ihn angesetzt war, bereits alles kopiert und beiseitegeschafft haben könnte.«
    Der Konteradmiral

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