Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
Vom Netzwerk:
hatten Ole auf einen schweren Stuhl in der Mitte des Raumes platziert. Ihm gegenüber auf der Kante eines Schreibtisches saß Strasser und spielte andeutungsvoll mit der Lederschlaufe am Ende eines kurzen, schweren Holzstocks.
    Um dem Blick Strassers auszuweichen, starrte Ole angestrengt auf seine Fußspitzen hinunter. Der Holzboden um sie herum war mit dunklen Flecken gesprenkelt. Getrocknetes Blut. Ole wurde flau bei dem Anblick. Von Wellersdorff hatte gewusst, warum er ihm nichts verraten hatte.
    Noch hatte Strasser nicht zugeschlagen, aber Ole wartete voller Schrecken auf den Moment, in dem er seinen Platz auf der Schreibtischkante aufgab.
    »Du warst von Anfang an dabei«, fuhr Strasser beinahe gelangweilt fort, als stelle er etwas derartig Offensichtliches fest, dass man es eigentlich gar nicht aussprechen musste. Beiläufig blätterte er dabei durch einige Papiere, die neben ihm auf dem Tisch lagen.
    »Hier: Du hast sogar eingesessen, weil du versucht hast, die Durchsuchung des Schleppers zu behindern.«
    Strasser blickte auf, und sein Ton wurde merklich schärfer.
    »Also hör auf, den Ahnungslosen zu spielen, und pack aus!«
    »Aber … ich weiß doch nichts!«, sagte Ole verzweifelt. »Nur das, was Richard mir erklärt hat.«
    »Sturmbannführer Korfmann, für dich!«, korrigierte der Kaleu.
    Seine Rechte fuhr durch die Lederschlaufe des Holzstocks. Dann stand er auf.
    Ole schluckte. Jetzt war es wohl so weit.
    Doch der Schlagstock baumelte weiter lose an Strassers Handgelenk. Anstatt sich ihm zu nähern, wandte der Kaleu sich einem der Fenster zu und blickte in den Hof hinab. Er zog eine Taschenuhr aus der Brusttasche, klappte sie auf und musterte das Zifferblatt.
    »Ich will, dass du dir etwas ansiehst«, sagte Strasser und winkte Ole zu sich herüber, ohne ihn dabei eines Blickes zu würdigen.
    Ole erhob sich und leistete dem Befehl Folge, widerwillig und mit einer plötzlichen, unheilvollen Ahnung, die sich beim ersten Blick aus dem Fenster bewahrheitete.
    Unter ihnen im Kasernenhof hatte ein halbes Dutzend mit Gewehren bewaffneter Matrosen des Schnellbootes Aufstellung genommen. Einige Schritte entfernt waren drei weitere Männer zu sehen. Ihre Körper sahen auf eine unheimliche, widernatürliche Art krumm und verdreht aus, als ob ihnen das aufrechte Stehen Schmerzen bereitete. Trotz der Augenbinden erkannte Ole sofort den Professor und die beiden anderen Widerstandskämpfer. Sie standen mit auf dem Rücken gefesselten Händen vor der inneren Festungsmauer.
    Noch in derselben Sekunde, als Ole verstand, was Strasser ihn da mit ansehen ließ, fielen die Schüsse. Sønstebye und die beiden Norweger krümmten sich im Kugelhagel und brachen dann zusammen.
    Geschockt wich Ole zurück. Übelkeit stieg in ihm auf. Und hilflose Wut.
    Strassers Mundwinkel verzogen sich zu einem kalten Lächeln. Unschwer war darin die perverse Befriedigung zu erkennen, die ihm die Hinrichtung verschafft hatte.
    »Und jetzt zurück zu uns!«, sagte er, und das Lächeln verschwand. »Auf den Stuhl mit ihm!«
    Die beiden Schnellbootmänner packten Ole, zerrten ihn zurück auf den Holzstuhl und fixierten seine Unterarme mit Lederschlingen auf den Armlehnen. Dann trat Strasser vor ihn hin, beförderte den Stock mit einem routinierten Schwung an der Lederschlaufe in seine Handfläche und ließ ihn mehrmals surrend durch die Luft sausen, als müsse er vor der eigentlichen Arbeit noch eine kleine Lockerungsübung absolvieren.
    »Zum letzten Mal … Wo sind die Pläne?«
    Bevor Ole auch nur den Kopf schütteln konnte, stieß Strassers Stock nach vorne und bohrte sich unter seinen Rippenbogen. Genau dort, wo der Solarplexus saß. Der scharfe Schmerz ließ Ole nach Luft ringen und sich im Stuhl vornüber krümmen. Eine Bewegung, die der Kaleu offensichtlich genau so hatte herbeiführen wollen, denn als Ole sich nach vorne bewegte, wartete dort abermals die Stockspitze auf ihn. Diesmal fuhr sie ihm unter das Kinn und drückte sein Gesicht nach oben, so dass Strassers finstere Raubvogelaugen direkt vor seinen waren.
    »Glaub mir, Storm, wenn ich mit dir fertig bin, wirst du keinen einzigen heilen Knochen mehr im Leib haben«, zischte er. »Dann wirst du darum betteln, mir alles erzählen zu dürfen!«
    Damit trat er einen Schritt nach hinten und holte mit dem Stock aus.
    Ole presste das Kinn auf die Brust und hielt die Luft an, alle Muskeln seines Körpers in Erwartung des Schlages angespannt. Doch das Surren des Stockes blieb

Weitere Kostenlose Bücher