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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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Dingis auf der Mittschiffsklampe unten in Lee belegt hatte, trat Lina aus dem Deckshaus. Sie trug einen kleinen Rucksack, in dem Ole ihre Waffen und das Verbandszeug für Tore vermutete.
    »Kannst du Sigur helfen?«, fragte sie und nickte zum Niedergang.
    Sie hatten Tore in eine Decke gewickelt und auf den Boden der Achterkammer gelegt. Ole hatte ihn seit ihrer Flucht aus Marstrand nicht mehr gesehen und erschrak. Sein Gesicht war aschfahl und eingefallen, und der leere Blick in den fiebrig trüben Augen ließ ihn unwillkürlich an Rauschs letzte Minuten denken.
    Den Schwerverletzten halbwegs heil den steilen Niedergang hinauf und an Deck zu schaffen war eine Sache. Ihn in das wild neben der Yacht hertänzelnde Beiboot zu bekommen, ohne dieses zum Kentern zu bringen, war um ein Vielfaches schwieriger. Sie schafften es erst im dritten Anlauf, nachdem Ole das schlingernde Dingi mit einer Achterleine stramm an die Yacht herangezogen hatte.
    Als auch Sigur und Lina im Dingi saßen, bückte sich Ole zur Klampe, um die Vorleine zu lösen.
    »He! Was machst du da, du Trottel?«, rief Sigur barsch. »Du musst ins Boot kommen, bevor du losmachst! Sonst sind wir weg und du bist immer noch an Bord!«
    »Das will ich ja auch«, erwiderte Ole bestimmt. »Einer von uns muss die Yacht doch durch die Klippen steuern.«
    Er nickte nach vorne.
    Die Skagerrak würde es nie und nimmer ohne Kurskorrektur durch das enge, mit Felsen durchsetzte Tor zwischen den beiden Schären schaffen. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
    »Hände weg von der Vorleine!«, blaffte Sigur, und als Ole aufblickte, sah er in den Lauf einer Pistole. Ole erstarrte. Was sollte das nun wieder?
    »Bist du verrückt geworden?«, rief Lina, ebenso überrascht und entsetzt wie Ole.
    »Er will uns für dumm verkaufen! Siehst du das denn nicht? Wir sitzen auf dieser Insel da und er hat das Schiff, um damit direkt zu seinen Freunden zu fahren und ihnen zu erklären, wo sie uns einsammeln können!«
    Ole staunte. Der Gedanke, dass sich hier tatsächlich noch einmal die Gelegenheit zur Flucht bot, war ihm überhaupt nicht gekommen.
    »Dummes Zeug!«, brummte er unwirsch. »Ich springe über Bord, sowie die Yacht durch die Klippen ist, schwimme an Land und treffe euch bei den Fischern!«
    »Das kannst du deiner Großmutter erzählen!«, höhnte Sigur. Dann machte er eine ungeduldige Geste mit der Pistole.
    »Los jetzt! Hände weg von der Klampe und rein ins Boot!«
    Ole hob langsam die Hände, sein Blick ging von Sigurs Waffe zu Lina. Sie saß hinten im Beiboot, die Arme um Tores Oberkörper gelegt, und sah ihn an. Sie schien etwas in Oles Gesicht zu suchen.
    Vielleicht eine Antwort auf die Frage: Wirst du mich enttäuschen? Ole erwiderte ihren Blick. Wie könnte er?
    »Nimm die Waffe weg, Sigur! Er wird uns nicht verraten!«
    »Du bist verrückt, Lina!«
    Sigurs Gesicht war weiß vor Zorn. Er zielte weiterhin auf Ole.
    »Mach los!«, nickte Lina Ole zu, und ihr Blick sagte: Keine Angst, er wird nicht schießen.
    Ole löste die Vorleine und in wenigen Augenblicken war das Beiboot achteraus hinter dem Heck verschwunden.
    Erleichtert kam Ole auf die Beine und sah nach vorne.
    Gerne hätte er jetzt die Wuling sortiert, die Sigurs Waffe und Linas Augen in ihm verursacht hatten. Oder wenigstens die letzten Minuten Segelei an Bord dieser Yacht genossen. Doch für keines von beiden blieb ihm noch Zeit.
    Mit einem raschen Blick zurück peilte Ole die graue Küstenlinie vor Mollösund. Von Richards Schnellboot keine Spur. Nicht einmal eine Rauchfahne jenseits der Inseln. Gut so! Sonst wäre Linas schöner Plan geplatzt, noch ehe er ganz in die Tat umgesetzt wäre.
    Wenige Augenblicke später fuhr die Yacht zwischen den beiden Schären hindurch. Die Passage war nicht schwierig und die beiden kompakten Klippen, die in ihrer Mitte zu umfahren waren, ragten gut sichtbar aus dem Wasser. Ohne die Fahrt verringern zu müssen, konnte Ole die Yacht in einem eleganten Bogen um sie herumsteuern.
    Dann lag die offene See vor ihm.
    Langsam hob Ole die Hände vom Steuerrad. Auch ohne festgelascht zu sein, bewegte es sich keinen Zentimeter aus der Mittelstellung. Die Yacht würde schnurgerade weitersegeln. Bis zum Horizont.
    Als Ole auf das Seitendeck trat und sich ans Want des Besanmastes stellte, blitzte kurz der Gedanke in ihm auf, einfach an Bord zu bleiben. Nicht um das zu tun, was Sigur ihm unterstellt hatte. Einfach nur, um weiterzusegeln. Sich auf dem warmen Holz des Teakdecks

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