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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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auszustrecken, dem Rauschen des Wassers neben dem Rumpf zu lauschen, den Blick hinauf zu den Wolken und den vom Wind geblähten Segeln zu genießen.
    Um frei zu sein.
    Rasch blieben die helleren Farbtöne des flachen Wassers zwischen den Schären im Kielwasser zurück. Hier draußen war es fast von demselben unergründlichen Dunkelgrün, das Ole vor wenigen Minuten in Linas Augen gesehen hatte.
    Wie konnte er glauben, dass er jemals frei sein könnte? Ohne sie?
    Rasch machte er einen Schritt nach vorn und spürte im nächsten Augenblick das kalte, salzig schäumende Wasser über sich zusammenschlagen.

9. Kapitel
SCHIEFERGRAU
    Im Laufe des Tages hatte die See dort draußen vor den Inseln fast all ihre Farben eingebüßt, bis nur noch ein dunkles, schiefernes Grau übrig geblieben war. Ein Grau, das sich lediglich noch darin von jenem der flachen, schroffen Schärenküste unterschied, dass es von kleinen, matt schimmernden Wellenrücken und schaumigen weißen Gischtstreifen gezeichnet war.
    Der leichte Nordwestwind, der die Skagerrak mit sich genommen hatte, war etwas aufgefrischt und hatte tiefe, schwere Stratuswolken herangetragen. Ihre ausgefaserten Kanten schienen bis ins Meer hinabzuhängen, und bis zum Abend hatten sie beinahe alles Licht aus dem Himmel gesogen. Und all jene Farben aus dem Wasser, die Ole unter sich gesehen hatte, als er heute Vormittag mit eingetauchtem Gesicht und offenen Augen zur Insel zurückgeschwommen war.
    Am frühen Abend hatte der Regen eingesetzt. Ein feiner, dichter Nieselregen, vom Wind zerstäubt und in langen grauweißen Schleiern über das Wasser streichend, der die raue Schärenlandschaft ringsum noch unwirtlicher erscheinen ließ. Der die Sichtweite auf wenige Kabellängen reduzierte und bald auch an Land die letzten Farben und Konturen verwaschen hatte.
    Ausnahmsweise waren Ole der Regen und die schlechte Sicht willkommen, schirmten sie doch die Insel ab vom Rest der Welt und vor den Ferngläsern der Polizisten aus Mollösund. Und damit auch vor Richards Verfolgung.
    Gegen Mittag, als noch die Sonne geschienen hatte und Ole seine nasse Kleidung auf den Felsen abseits des Fischerdorfes trocknete, hatte er das Schnellboot gesehen. Es war im Osten das Schärenfahrwasser hinauf nach Norden gefahren – Ausschau haltend nach den Masten der Skagerrak, die erst kurz zuvor auf der westlichen Kimm verschwunden waren. Bisher war es nicht zurückgekommen. Für den Moment waren sie hier also sicher.
    Lina hatte länger mit den Fischern der Insel gesprochen und ihnen ihre Situation erklärt. Wie erwartet waren die Männer durchaus bereit, zu helfen. Obwohl es dann doch noch ein paar feindselige Blicke und harsche Kommentare gegeben hatte, als plötzlich ein Deutscher auftauchte, Ole Storm, und es hieß, er sei mit von der Partie.
    Auch Sigur schien nicht wirklich erfreut, ihn wiederzusehen. Mit einem knappen Kopfnicken quittierte er Linas Bemerkung, dass Ole Wort gehalten hatte. Danach hatte Sigur ihn kaum noch eines Blickes gewürdigt. Was Ole immerhin lieber war, als noch einmal von ihm mit einer Waffe bedroht zu werden. Denn einander aus dem Weg gehen konnten sie sich auf einer kleinen Insel wie Käringön kaum.
    Der Hafen war winzig und wurde durch einen natürlichen Arm der Bucht gebildet. Darum herum standen knapp ein Dutzend ärmlicher roter Holzhäuser und etwa noch einmal so viele windgebeugte Schuppen, in denen Netze, Reusen und sonstiges Fanggeschirr gelagert wurden. Der Wortführer der Fischer, ein kleiner, vierschrötiger Mann namens Lasse, hatte ihnen eine dieser Baracken zugewiesen, um den Verwundeten dort unterzubringen. Aus alten Netzen und Segeltuch richteten sie ihm ein improvisiertes Krankenlager her, und Lasses Frau Alva ging Lina wortlos zur Hand, als sie Tores durchblutete Verbände wechselte.
    Zum Glück schien der Norweger den heiklen Transport von der Yacht auf die Insel einigermaßen gut überstanden zu haben. Er war bei Bewusstsein und konnte sogar ein paar klare Sätze mit Lina und Sigur wechseln. Dennoch war sein Zustand kritisch und Alva schüttelte, als sie die Wunden wusch, ohne Unterlass vorwurfsvoll den Kopf.
    Auf Käringön gab es kein Telefon und nur ein einziges Funkgerät. Es stand in Lasses Haus und wurde üblicherweise dazu verwendet, Lebensmittel- und Materialbestellungen mit Lasses Schwager zu besprechen, der im nördlich gelegenen Gullholm einen kleinen Kaufmannsladen betrieb. Oder natürlich, um medizinische Hilfe zu rufen, wenn diese benötigt

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