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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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wurde.
    Obwohl Sigur Bedenken äußerte, ihr Versteck könnte durch den Notruf verraten werden, bat Lina den Fischer, einen Arzt für Tore kommen zu lassen.
    Dieser kam zwei Stunden später mit einem kleinen offenen Motorboot zur Insel herausgetuckert. Allerdings schien er Ole ein rechter Quacksalber zu sein. Er hatte eine deutliche Schnapsfahne vor der rot geäderten Nase, untersuchte Tore, ohne sich vorher oder nachher die Hände gewaschen zu haben, und tat nichts, um die Kugeln aus den Wunden zu holen oder diese wenigstens professionell zu verschließen. Zur weiteren Behandlung ließ er lediglich eine Wundsalbe zurück, die verdächtig nach Fisch roch, und ein Fläschchen mit fiebersenkendem Saft, von dem er sich selber zuvor noch einen kräftigen Schluck genehmigte. Dafür berechnete er dann jedoch einen Preis, der eines Universitätsprofessors würdig gewesen wäre. Außer den für einen Krankenbesuch auf den Inseln üblichen fünf Kronen und weiteren drei für die Arznei verlangte er noch einmal zwanzig Kronen extra dafür, dass er, wie er mit einem Fingertippen an sein rote Nase anmerkte, sich seiner ärztlichen Schweigepflicht erinnerte, wenn die Polizei ihn nach den flüchtigen norwegischen Widerstandskämpfern fragte, die inzwischen überall gesucht wurden.
    Wenigstens wirst du auf der Rückfahrt ordentlich nass, dachte Ole mit grimmiger Genugtuung. Denn inzwischen trommelte der Regen auf das Blechdach der Hütte.
    Lina bezahlte, ohne sich etwas anmerken zu lassen, und hielt dem Herrn Doktor verbindlich lächelnd die Türe auf.
    Doch kaum war er draußen, war ihr Lächeln verschwunden.
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Beim nächsten Vollrausch plaudert der alles aus, was er weiß.«
    »Ich hab’s dir ja gleich gesagt«, brummte Sigur missmutig. »Wir müssen sehen, dass wir aus der Gegend verschwinden. Am besten gleich nach Stockholm.«
    »So habe ich das nicht gemeint!«, antwortete Lina kühl. »Ich meinte, wir müssen so schnell wie möglich nach Marstrand zurück und das Funkgerät suchen.«
    Mit einem entnervten Grunzen verschränkte Sigur die Arme vor der Brust und schnitt ein Gesicht, das keinen Zweifel daran ließ, dass die geheimen Pläne für ihn längst abgehakt waren.
    »Ich habe mit Lasse gesprochen«, fuhr Lina unbeirrt fort. »Er ist bereit, euch nach Marstrand zu bringen.«
    Bisher hatte Sigur mehr oder weniger ruhig auf einer großen Taurolle gesessen. Nun sprang er auf.
    »Euch? Wen meinst du damit?«
    »Ole und dich. Ich bleibe hier und kümmere mich um Tore.«
    »Detta er ingen fråga!«, rief Sigur aus und verschränkte wütend die Arme vor der Brust.
    »Sigur, bitte!«, sagte Lina mühsam beherrscht.
    Doch Sigur dachte nicht daran, einzulenken. Automatisch ins Schwedische zurückfallend, zog er schimpfend über Ole, dessen Idee mit dem Funkgerät und Linas noch viel größere Verrücktheit her, einem Deutschen Glauben schenken zu wollen. Einem Feind!
    Bei den beiden vorherigen Streitereien war es Lina immer gelungen, die Ruhe zu bewahren und Sigur durch geduldige Argumente zu beschwichtigen. Diesmal jedoch war es um ihre Beherrschung geschehen. Ole erschrak, als er sie regelrecht aus der Haut fahren sah. Ebenso hastig wie unauffällig verließ er den Schuppen.
    Draußen schlug ihm der Regen ins Gesicht. Rasch klappte er den Kragen seiner Jacke hoch und sah sich in der hereinbrechenden Dunkelheit nach einem anderen Unterschlupf um.
    Die beiden nächstliegenden Schuppen waren fest verschlossen. Doch ein kleines Stück weiter, auf einer flachen Felsplatte, lag ein umgedrehtes altes Fischerboot. Vom Holz des Rumpfes blätterte bereits die Farbe, aber gegen den Regen würde es wohl noch dicht genug sein. Ole stemmte die dem Wetter abgewandte Seite ein Stück weit an und rollte ein ausgedientes Ölfass dazwischen. Die so entstandene Höhle war überraschend gemütlich und Ole fand an dieser Stelle sogar etwas Gras zwischen den Felsen, das ihm ein einigermaßen weiches Lager bescherte. Mit über der Brust gekreuzten Armen legte er sich auf den Rücken, schloss die Augen und lauschte dem hypnotisierend wirkenden Trommeln des Regens auf die alten Planken über seinem Kopf.
    Als Ole das nächste Mal die Augen aufschlug, war es in seiner behelfsmäßigen Behausung bereits vollkommen dunkel, und er brauchte eine geraume Weile, bis er herausgefunden hatte, wo er sich befand.
    Und dass er davon wach geworden war, dass jemand nach ihm gerufen hatte.
    Er steckte den Kopf unter seinem Bootsdach

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