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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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Sicht war erbärmlich. Aber genau das würde für ihre Zwecke mehr als hilfreich sein.
    Ole hatte den alten schwarzen Ölmantel an, den Lina aus dem Bootsschuppen mitgebracht hatte. Sie selber trug inzwischen das in der Größe weitaus besser passende Ölzeug von Lasses Frau Alva. Außerdem hatten die Fischer ihnen noch etwas Proviant, ein paar dünne Seile, einen kleinen klappbaren Hakenanker und einen starken, batteriebetriebenen Handstrahler mitgegeben, den sie bei der nächtlichen Suche gut würden gebrauchen können. Lina hatte alles in ihrem Rucksack verstaut, zusammen mit einer Pistole und fünfzig Schuss Munition.
    Lasse sollte sie an einem der Holzstege am nördlichen Ausgang des Sundes absetzen, die zu den Sommerhäusern gegenüber der Ortschaft gehörten. Damit waren sie bereits auf der Seite der kleinen Werft. Um Punkt vier Uhr früh, so vereinbarten sie, sollte der Fischer sie dann an der gleichen Stelle wieder aufnehmen. Hoffentlich noch bevor das Leben in Marstrand erwachte.
    Damit blieben ihnen gute drei Stunden, um das Funkgerät zu finden und zu bergen. Allemal genug Zeit, wie Ole schätzte. Das Wasser neben dem Werftsteg war nicht allzu tief und die genaue Stelle würde er anhand der Poller auf dem Steg recht gut abschätzen können.
    Trotzdem verschwendeten sie keine Zeit. Eilig liefen sie an den verlassenen Sommerhäusern und der vernachlässigten Segelyacht vorbei, die Ole vor vier Tagen an einem der Stege entdeckt hatte. Sie hielten nicht an, aber selbst ein flüchtiger Blick genügte Ole, um zu erkennen, dass sich an ihrem traurigen Zustand nichts geändert hatte.
    Dann erreichten sie die Werft. Auf der Slipbahn fanden sie ein kleines Ruderboot. Hastig schoben sie es ins Wasser und zogen sich darin an der Holzpier entlang bis zu dem Platz, an dem die Skagerrak gelegen hatte. Sicherheitshalber vertäuten sie das Boot nicht neben, sondern unter dem Steg. So würden sie nicht so leicht zu sehen sein, wenn sie mit der Lampe zu hantieren begannen.
    »Bist du sicher, dass die Stelle richtig ist?«, fragte Lina.
    Ole zählte noch einmal die Poller auf dem Steg und nickte. Hier war die Achterleine der Skagerrak belegt gewesen, dort die Spring, und auf dieser Höhe musste das Cockpit der Yacht gelegen haben.
    Lina knipste die Handlampe an und hielt sie dicht über die kleinen Wellen neben dem Boot, damit möglichst wenig Licht nach oben drang. Der Lichtkegel tastete als diffuser grüner Finger durch das schwarze Wasser.
    »Wo, hier ungefähr?«
    »Warte …«
    Ole versuchte angestrengt, sich zu erinnern.
    Zwei Männer des Schnellbootes hatten das defekte Funkgerät aus dem Deckshaus geschafft und zur Laufplanke getragen. Dort hatten sie es abgesetzt, um zu verschnaufen. Bevor sie es an Land bringen konnten, war Strasser aufgetaucht und hatte den Kasten mit einem Tritt in den Spalt zwischen Yacht und Steg befördert.
    »Weiter hier drüben.«
    »Zeig’s mir! Aber pass mit dem Licht auf«, sagte sie und reichte ihm die Lampe, den Strahl ins Wasser gerichtet.
    Dann beugte sie sich neben ihm über den Bug.
    »Verdammt, ich kann rein gar nichts sehen. Nicht mal den Grund!«, sagte sie leise. »Wie tief ist es hier überhaupt?«
    »Vier, viereinhalb«, murmelte Ole.
    Er konnte dort unten am Boden sehr wohl etwas sehen. Trübe, schwache Farbschattierungen, die durch das Grün des Lichtkegels zogen. Unreiner, mit Kraut bewachsener Grund. Und allerlei Unrat. Tampenreste, ein altes, zusammengeknülltes Fischernetz, ein Autoreifen, alles dick mit Algen oder Schlamm besetzt und schon lange dort unten. Und nichts, was annähernd groß genug war für das Funkgerät.
    In die andere Richtung kam der muschelverkrustete Fuß des Holzdalbens in Sicht, auf dem an dieser Stelle der Steg ruhte. Und dann, ein Stück weiter draußen, etwas Helleres.
    »Da ist was!«
    Was genau es war, konnte Ole nicht erkennen. Außerhalb des Steges trübten Regen und Wind den Blick durch die Wasseroberfläche.
    »Nimm mal!«
    Ole reichte Lina die Lampe, rutschte ein Stück in die Bootsmitte und begann Öljacke, Pullover, Unterhemd und Schuhe auszuziehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Linas Blicke, die über seinen nackten Oberkörper glitten, aber hastig drängte er das seltsame Gefühl zurück, das dadurch ausgelöst wurde.
    »Du musst weiter da rüber leuchten«, sagte er und führte ihre Hand in die richtige Position.
    Dann holte er Luft und lehnte sich mit dem Oberkörper so weit nach vorne, dass er sein Gesicht und die geöffneten

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