Die Farbe der Träume
kalte Erde erinnerte Joseph daran, dass seine Schürflizenz für diesen Claim abgelaufen war, und wenn er nicht wollte, dass die Kaniere-Männer ihn sich so beiläufig aneigneten wie sie sich Wills Angelsitz angeeignet hatten, müsste er hinunter nach Hokitika und die Lizenz erneuern.
Halb fürchtete er inzwischen, er hätte sich einen wertlosen Claim abgesteckt. Und wären die Goldgräber aus Kaniere nicht aufgetaucht, wäre er vielleicht entweder weitergezogen oder umgekehrt, näher heran an die »Brenner-McConnell-Heimfahrkarte«. Halb glaubte er aber auch, dass nicht der Claim, sondern er selbst wertlos sei. Er hatte kein Anrecht auf Reichtum, und deshalb fand er nichts. Das war die Strafe für seine Missetaten. Gott wusste, wie es in seiner Seele aussah. Gott hatte gesehen, wie grausam er zu Rebecca gewesen war. Gott wusste, was er mit Will Sefton gemacht hatte. Aber Gott war auch ein Komiker. Wenn er wollte, konnte er aus jedem einen Hiob machen. Es war gut möglich – sogar wahrscheinlich –, dass in dem Moment, wo er sein Stück Land in Kokatahi aufgab und einer der Kaniere-Männer dort zu graben begann, Gold darauf gefunden wurde.
Also brach Joseph an einem kalten Märzmorgen nach Hokitika auf.
Den ganzen Fluss entlang, auch mitten in Kaniere und noch dahinter, gab es jetzt Claims, die beackert wurden. In jedem Moment, bei jedem Zelt und jeder Baracke an seinem Weg, glaubte Joseph, auf Will zu stoßen. Er ertappte sich sogar dabei, wie er aus all dem Lärm der Pickhämmer und Rüttler seine Flöte herauszuhören versuchte. Doch es gab nicht die leiseste Spur von ihm.
Auf dem Brenner-McConnell-Claim stand jetzt eine ordentliche Hütte aus Brettern, Steinen und Tussockstroh. Daneben war eine pferdebetriebene Winde errichtet worden, die das Wasser aus dem Fluss in eine Rutsche schöpfte. So konnten Brenner und McConnell die Erde auf all ihrem abgesteckten Land waschen, ohne das nötige Wasser in Eimern heranschleppen zu müssen. Das war erfolgreiches Arbeiten, intelligentes Arbeiten, ein Arbeiten mit Geld im Rücken, und Hamish McConnell stand mit verschränkten Armen vor seiner Hütte, trug ein sauberes Hemd und lächelte.
»Wie sieht es in Kokatahi aus?«, rief er Joseph zu. »Schon was gefunden?«
Joseph dachte: Die Vogelscheuche, die du da vor dir hast, gibt dir doch schon die Antwort auf deine Frage. Er wusste, wie er aussah, dass sein Haar verfilzt und seine Haut grau war und sein Schlüsselbein vorstand wie ein Kleiderbügel.
»Nicht viel zum Vorzeigen …«, begann er, denn das Wort »nichts« brachte er wieder nicht über die Lippen. »Noch nicht. Aber ich bin an einer guten Schicht aus blauem Ton.«
»Na dann viel Glück«, sagte McConnell, den der Reichtum freundlicher gemacht hatte.
»Und? Schon Geld nach Schottland geschickt?«, fragte Joseph.
»Ja«, sagte McConnell und lachte. »Hab meiner Frau gesagt, sie soll uns schon mal ein Schloss aussuchen!«
Und während Joseph seinen Weg zum Meer fortsetzte, begriff er, was ihn noch obendrein quälte: Er besaß nichts außer einem Haus aus Lehm in einer Windschneise, wo seine Mutter ihr geflicktes Porzellan anschaute und in den Nächten weinte. Hamish McConnell jedoch würde demnächst von steinernen Zinnen herab auf Zedern und weite Rasenflächen blicken. Diener würden sich in einer Reihe aufstellen, um ihn bei seiner Rückkehr zu begrüßen. Er würde in einem hohen Himmelbett schlafen.
War McConnell ein besserer Mensch als Joseph Blackstone? Joseph wusste es nicht. Er sah nur, dass man, umgeben von Elend, Elend aushalten konnte. Aber direkt neben dem Glück anderer war es sehr, sehr viel schwerer zu ertragen.
Joseph war froh, wieder in Hokitika zu sein, an seinem Strand mit dem Treibholz und den Schiffswracks.
Er blieb stehen, blickte aufs Meer hinaus und fühlte sich gebrochen und schwach. Doch die heranrollenden Wellen und der saubere Geruch des Ozeans erinnerten ihn daran, dass er kein Gefangener der Hölle von Kokatahi war. Er konnte einfach beschließen fortzugehen. Er hatte immer noch etwas Geld. Er konnte sich eingestehen, dass seine Goldsuche gescheitert war, nach Lyttelton zurückfahren und wieder das Leben auf der Farm aufnehmen. Er wäre sicher nicht der Erste, der sich mit diesem Schicksal abfand. Und er dachte, allein an seinem eigenen Bach zu sein und am eigenen Teich zu graben, könnte, verglichen mit den rattenverseuchten Ufern des Hokitika, der reinste Himmel sein.
Doch als er dann an Harriet dachte, wurde ihm sehr
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