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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Fluss und wieder zurück, bis die Schlucht sich endlich weitete und sie die sumpfige Ebene des Taramakau erreichten. Johnboy setzte Pare ab, knüpfte die Decke auf und küsste ihre Wange. »Braves Mädchen«, sagte er. »Hat uns genau an die Stelle geführt, wo wir hin wollten! Was, Flinty?«
    »Noch nicht ganz«, sagte Flinty. »Noch nicht ganz. Ist doch kein Gold hier, oder?«
    »Kein Gold hier«, sagte Pare. »Nicht hier. Wenn wir in Kumara sind, wenden wir uns nach Süden. Drei Kilometer. Vor langer Zeit war da ein Wald. Jetzt ist er unter der Erde. Er schläft, und in ihm schläft das Gold.«
    »In den ganzen vierundfünfzig Jahren meines elenden Lebens habe ich so was noch nicht gehört«, sagte Flinty verärgert. »Dass man Gold auf Bäumen gefunden hat.«
    »Wir Maori wissen, dass dort Gold ist«, entgegnete Pare, »dort in dem schlafenden Wald.«
    Sie machten gerade Rast von ihrer mühseligen Wanderung und saßen zum ersten Mal seit langem auf weichem Tussockgras anstatt auf Steinen. Flinty nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche und spuckte ins Gras. Er sah Pare mit seinen Frettchenaugen an.
    »Ich glaube nicht, dass Sie das wissen können«, sagte er. »Sie haben doch keinen blassen Schimmer, wo das Gold ist! Sie wollten nur, dass wir Sie durch die Schlucht tragen. Sie haben uns hübsch hereingelegt.«
    »Warte, Flinty«, sagte Johnboy. »Wieso sollte sie denn über den Hurunui gehen und in diese Unterwasserhölle steigen, wenn sie nicht wüsste, wo das Gold ist?«
    »Frag sie doch. Vielleicht, um die Hure von so einem Goldsucher zu werden. Um sich an der Arbeit von uns Weißen zu bereichern. Hab ich nicht Recht? Ich hab doch Recht, oder?«
    Pare sah Flinty nicht an. Seine Augen machten ihr Angst. Sie blickte zum Fluss und zu all den großen grauen Steinen, die seinen unbeirrten Lauf vergeblich aufzuhalten suchten.
    »Ich muss Grünstein finden«, sagte Pare leise. »Ich muss Grünstein finden, oder ich bin verloren.«
    »Was soll das denn heißen?«, fragte Flinty. »Was zum Teufel soll das heißen?«
    »Es heißt, dass ich den Geistern Grünstein versprochen haben.«
    »Was redet sie da, Johnboy?«
    »Kann ich Gedanken lesen? Krieg du das raus, Flinty.«
    »Wenn Sie tricksen«, sagte Flinty, »wird Ihnen das sehr leidtun. Da sind Ihre kaputten Füße dann gar nichts gegen …«
    »Keine Tricks«, sagte Pare. »Ich habe Sie hierhergeführt …«
    »Da wären wir auch selbst hingekommen! Wir mussten doch nur dem Fluss folgen. Der Abstieg war doch der schlimmste Teil. Den Rest hätten wir leicht allein geschafft.«
    Pare begann zu frieren. Te riri Pākehā: Der Zorn des weißen Mannes . Sie hatte ihn bei Toby Orchard erlebt. Er hatte fast ihr Leben zerstört. Sie wusste, dass auf der Nordinsel zwischen Maori und Pākehā immer noch ein Krieg um Land tobte. Sie wusste, dass das, was dieser Zorn anrichten konnte, keine Grenzen kannte. Sie wusste, dass sie ihn vielleicht nicht überleben würde.
    Sie zwang sich, weder Angst zu haben noch so zu klingen, als hätte sie Angst. Um sich zu beruhigen, dachte sie an ihr Heimat-Pā und an die Steine, aus denen sie einen Kreis der Erwartung gelegt hatte.
    Sie sprach langsam und sah dabei wieder zu Johnboy, auf seinen weichen Mund, nicht zu Flinty. »Ich habe Sie hierhergeführt, weil hier Gold ist«, sagte sie. »Wir Maori wissen, dass es in dem vergrabenen Wald Gold gibt.«
    »Wenn Ihre Leute wissen, dass da Gold ist, dann werden sie doch dort sein, oder? Dann werden da doch haufenweise Eingeborene sein und es ausgraben!«
    »Nein«, sagte Pare. »Maori lieben kein Gold. Grünstein ist unser kostbarstes Gut.«
III
    Joseph vertrieb sich die Zeit in Hokitika.
    Er bezahlte für ein heißes Bad und ein kleines Hinterzimmer im Hotel und konnte, wie der Besitzer meinte, noch froh sein, weil jeden Moment die Wallabi erwartet würde, mit einem ganzen Schwung neuer Jungs.
    Joseph hatte sich geschworen, für ein paar Stunden eine Frau zu kaufen – irgendeine Frau. Doch jetzt verflüchtigte sich das Bedürfnis, mit einer Frau zusammen zu sein. Kostbares Geld für etwas auszugeben, das er eigentlich nicht wollte, hätte ihn geschmerzt.
    Er verließ das Hotel und schlenderte an den Geschäften und Kneipen entlang, an die er sich noch erinnerte – vorbei an dem Geschäft, in dem er Will Sefton die Angelrute gekauft hatte, vorbei an den Banken und Lebensmittelläden. Er war auf der Suche nach etwas und wusste nicht, was. Plötzlich hatte er Lust, Musik zu hören, irgendetwas

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