Die Farbe der Träume
und Johnboy Shannon liefen in eine Trance hinein.
D ER W ALD UNTER DER E RDE
I
Joseph Blackstone lebte nun in einer veränderten Welt.
Die Schürfer aus Kaniere hatten überall am Fluss ihre Claims abgesteckt. Dort, wo Will Seftons »Angelsitz« gewesen war, hatten sie eine Feuerstelle errichtet. Die Waldgrenze wich immer weiter zurück, da sie Bäume für Bretter und Feuerholz fällten. Am Ufer türmte sich der Abraum zu Halden.
Heerscharen von Buschratten rückten an. Auf jeden Mann, der in Kokatahi grub, schienen jetzt vier, fünf oder sechs Ratten zu kommen, die von Mehl, Speck, verschüttetem Reis und dem Öl aus alten Sardinenbüchsen lebten. Manchmal wurden die Ratten auch selbst als Nahrung geschossen und gebraten, Haut und Schwänze dabei ins Wasser geworfen. Nur einer der Kaniere-Männer aß Rattenschwänze. Er briet sie, bis sie ganz verkohlt waren, und neckte die anderen Männer, indem er die Schwänze wie eine Delikatesse in die Luft hielt und dann das magere Fleisch vom Knorpel lutschte. Er sagte: »Wenn ich kein Gold finde, verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt mit Ratten. Ändere einfach nur den Namen. Die Menschen essen alles, was atmet, und ich kann mir Millionen Ratten umsonst beschaffen. Ich brauche nur noch einen flotten Namen. Ich werde sie als ›Wasserwild‹ verkaufen!«
Unter den Männern aus Kaniere herrschte eine Kameradschaft, die Joseph ausschloss. Vom ersten Moment ihrer Ankunft an hatten sie so getan, als existierte Joseph gar nicht. Sie hatten gemeinsam in den Sümpfen von Kaniere gelitten, waren dann weitergezogen, um jetzt hier ihr Lager aufzuschlagen. Verglichen mit Kaniere war es ein Paradies, trotz der Ratten und der allmählich anwachsenden Müllberge. Ihr abgestecktes Land reichte bis auf Zentimeter ans Wasser heran, und sie begannen sofort, Schächte zu graben, Handwinden aufzustellen, Feuer zumachen, Vögel zu schießen, zu plaudern, zu trinken, zu fluchen und zu lachen, bis tief in die Nacht hinein.
An den Mann, der vor ihnen hierhergekommen war, schienen sie keinen Gedanken zu verschwenden. Vielleicht dachten sie, er werde bald fortgehen. Oder sie erkannten einfach, dass Joseph Blackstone sich einen schlechten Claim abgesteckt hatte und so lange die Erde umgraben konnte, bis er tot umfiel, ohne jemals Gold zu finden, und sie wollten nichts mit seinem Misserfolg zu tun haben.
Es gab Tage, an denen Joseph nicht Gold suchte, sich nicht wusch, nicht aß, nicht aus dem Zelt kam, sondern liegen blieb und auf den Lärm um sich herum horchte. Und Hass auf die Welt zerfraß ihn, ein Hass so tief, dass er glaubte, ihn nicht überleben zu können. Er holte sein Gewehr aus seinem dreckigen Bündel, lud es und legte es in Reichweite neben sich. Er malte sich die süße Stille des Todes aus, die Erlösung vom Scheitern, die endgültige Erholung vom Dasein. Doch irgendetwas hielt ihn immer wieder davon ab, das Gewehr zu nehmen.
Irgendetwas.
Es war eine vertraute Erinnerung, und sie hatte noch immer die Macht, ihn an einen fernen Ort zu entführen. Einen Ort am anderen Ende der Welt; Joseph stellte sich jedoch gern vor, er läge unter ihm, sei ein Ort, der sich erreichen ließe, wenn er nur tief und breit und lange genug graben würde. Eine harte und einsame Zeit lang …
… Juni in Norfolk. Er war auf dem Heimweg nach Parton, im braunen Anzug und mit Tweedkappe, das Auktionsbuch unter den Arm geklemmt. Gerade ging die Sonne unter.
Hinter dem Wäldchen von Parton Woods kam er zu der grünen Wiese, wo Lilian im September immer Pilze suchte, und da war sie: Rebecca Millward. Sie saß auf dem Tor und sog an einem Grashalm, den sie zwischen den Zähnen hielt. Sie war sechzehn, ihr Gesicht war von der Sonne gebräunt, und Lachfältchen saßen in ihren Augenwinkeln. Als sie Joseph sah, schobsie ihre Röcke zwischen die Beine, damit Joseph ihre Waden sehen konnte, die in ihren nagelneuen Stiefeln steckten.
Er warf einen zärtlichen Blick auf diese Stiefel, und er war gerührt, weil sie ihm signalisieren wollte, dass ihr Vater es sich leisten konnte, ihr solche Stiefel zu schenken, dass ihr Vater, der Fischhändler, sie verwöhnte.
»Mr Blackstone«, sagte sie. »Und? Auf dem Markt gewesen? Bin froh, dass ich kein Schaf oder Kalb bin und unter Ihren Hammer komme!«
Sie spuckte den Grashalm aus und lachte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, wusste nicht, was sie eigentlich meinte, außer, dass sie ihn provozieren, ihm zeigen wollte, dass sie es wagte, ihn zu necken. Also sagte
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