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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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absolut lächerlich vor.
    Pao Yi sann darüber nach. Er dachte, dass das Lächerliche am Gemüseanbau später vielleicht auch ihm aufgehen würde, aber noch war das nicht geschehen. Noch war es ihm unvorstellbar, all die lebendigen, verwurzelten Dinge, die er gepflanzt hatte, einfach auszureißen. Und er war klug genug, noch etwas anderes zu begreifen: Sobald bekannt würde, dass »Skorbut-Jenny« auf Gold gestoßen war, würden die Horden aus Kaniere und Kokatahi anrücken. Und sie würden versuchen, ihn von seinem Land zu vertreiben.
    Binnen weniger Tage hätte er damit seine Welt selbst zerstört.
    Pao Yi fragte sich, woraus diese Welt bestand und warum er hier war.
    Er wusste, dass am Ende all seiner Mühen in Neuseeland die Rückkehr zum Reihersee stand. Er hatte den Ozean überquert, um wieder heimzukehren. Paak Mei und Paak Shui warteten auf ihn, warteten mit ausgestreckten Händen. Aber ebenso wenig, wie er bereit war, seinen Gemüsegarten dem Gold zuliebe aufzugeben, war er bereit, seine Einsamkeit Paak Mei und PaakShui zuliebe aufzugeben. Jedenfalls jetzt noch nicht. Er konnte sich die beiden in ihrer Welt vorstellen, konnte sie sich sehr schön auf jenem Land am See vorstellen, wo die Wasserbüffel sich, an den Pflug geschirrt, so langsam bewegten, dass es aus der Ferne aussah, als bewegten sie sich überhaupt nicht. Er konnte die grünen Frösche unter einem meergrauen Himmel in den Reisfeldern glucksen und rufen hören. Er konnte die mit Gräbern übersäten Hügel hinter den Reisfeldern sehen. Er konnte die Talgbäume riechen. Er sah die Männer des Dorfes, seine alten Freunde, die in Zeiten der Dürre wie Tänzer die Wasserräder aus Bambus traten, er hörte das Klack-Klack der einrädrigen Karren auf dem holprigen Kopfsteinpflaster. Und er sah die Gesichter von Paak Mei und Paak Shui, die in der Tür seines Hauses warteten, so lebhaft vor sich, dass er manchmal glaubte, sie blinzelten ihm zu.
    Sogar seine eigene Stimme konnte er hören, die an der maroden Anlegestelle »Krebse, Süßwasserkrebse« in die harsche Abendluft rief. Und oft schien es ihm, dass auch die Dorfbewohner seine Stimme hörten und in ihren Stiefeln oder Stoffschuhen herbeigeeilt kamen, um die Krebse zu kaufen. »Pao Yi, Pao Yi«, sagten sie. »Bruder der Rechtschaffenheit … warum bist du so lange fortgeblieben?« Und dann ging er weg, jedes Mal ging er weg. Er ließ den Eimer einfach stehen, erklärte den Dorfbewohnern schroff, sie sollten sich von den Krebsen nehmen, und stieg den Berg hinauf, vorbei an den Gräbern mit den unvollständig eingesammelten Körpern von Chen Lin und Chen Fen Ming, bis zu den steilsten Hängen, wo die rauen Fichten so dicht wuchsen und wo Pao Yi in der wohltuenden Dunkelheit unter den Bäumen Vergessen suchen konnte.
    Er versteckte seinen Goldklumpen in der Höhle.
    Er benutzte die Höhle nicht länger als Ort zum Rauchen und Schlafen, schaffte stattdessen mit einiger Mühe Steine und Erde vor den niedrigen Eingang und arrangierte alles so, dassman dahinter keine Höhle mehr vermutete. Äste und Moos und eine einzelne Farnpflanze, die er zwischen die Steine schob, machten die Täuschung komplett. Und Pao Yi wusste, dass die falsche Wand – falls er an das Gold müsste – nach nur wenigen Pickelhieben zusammenfallen würde, und er war ein klein wenig stolz auf seine schlaue Idee. Dennoch beunruhigte ihn etwas an der Idee, dass die Höhle als Versteck dienen sollte.
    Er fand sie zu voraussehbar. Er sagte sich, dass jemand, der eine Höhle betritt, damit rechnet, dort etwas zu finden. Deshalb überlegte er, dass es besser wäre, wenn er das Gold an einem Ort versteckte, wo niemand damit rechnete, etwas zu finden. Aber Pao Yi wusste nicht, was das für ein Ort sein könnte. Er befand sich in einem Land, in dem die Menschen in jeder kleinsten Handvoll Erde Gold erwarteten; fast schien es ihm, als läge diese Erwartung wie eine Art unsichtbarer Mehltau über der ganzen Landschaft.
    Und dann kam ihm die Idee, das Gold wieder an genau dieselbe Stelle zu legen, wo er es gefunden hatte – unter den Zwiebelschössling. Denn wer ein Zwiebelbeet anschaute, was erwartete der unter der Erde außer Zwiebelknollen? Dass da noch etwas anderes unter den Zwiebeln sein könnte, würde ihm kaum in den Sinn kommen.
    Also nahm Pao Yi die so listig errichtete Wand vor dem Eingang wieder auseinander, kletterte über die herausgefallenen Steine und betrat die Höhle. Die wohltuende Dunkelheit erfreute ihn auch jetzt

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