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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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aufgemacht hatten – ganz normale Männer wie Hopton Fellwater und Bunny McGee – das Gold aus ihrem Ufersand wuschen und sahen, wie ihr Leben sich änderte, weil das Glück darin einzog.
    Joseph sehnte sich so sehr nach Glück, dass er, um ruhiger zu werden, schon einmal darüber nachdachte, was er mit dem Gold machen würde, sobald er welches hätte. Wahrscheinlich würde er Rebeccas Familie Geld schicken, viel Geld. Sie könnten dann ihr Dach reparieren, einen neuen Abort bauen, sich einen Wald kaufen, wenn das ihr Wunsch war, oder ins lukrative Geschäft einer Fasanenzucht einsteigen. Er würde für die anonyme Zusendung des Gelds sorgen, damit sie auf keinen Fall dessen Herkunft erfuhren.
    Und dann werde ich frei von Schuld sein.
    Dann werde ich es wiedergutgemacht haben.
    Dann werde ich genug getan haben.
    So sahen Josephs Gedanken aus. Und worauf er hoffte, wenndies alles hinter ihm lag, war das neue Erwachen seiner Gefühle für Harriet. Denn er wusste, wie kalt er war. Wie hätte er es nicht wissen sollen!
    Er musste daran denken, wie fröhlich Harriet bei ihren ersten Einkäufen für die Farm gelacht hatte, wie sie auf der Straße seinen Arm genommen, ihm das Gesicht geküsst hatte … er konnte sich noch sehr lebhaft daran erinnern, merkte aber, dass er all das irgendwie weggeschoben, aus seinem Leben verbannt hatte, fast so, wie man ein Kind zur Strafe aus dem Zimmer schickt.
    Und er erkannte, wie jämmerlich und empörend das war. Harriet verdiente seine Liebe, und doch konnte er sie ihr nicht schenken. Zum einen, weil er sie nie so geliebt hatte, wie es recht gewesen wäre, zum anderen aber, weil er jetzt das Gold im Kopf hatte. Und diese Beschäftigung mit dem Gold hatte offenbar eine Tür in die Vergangenheit geöffnet, eine Tür, von der er geglaubt hatte, sie sei für immer verschlossen. Doch da hatte er sich geirrt.
    Der Regen kam in den ersten Februartagen. Er fiel in Sturzbächen aus einem schwarzen Himmel, und zu Josephs Erstaunen löste er die »Berge« am Uferrand langsam auf und schwemmte die Erde wieder in den Bach.
    Harriet stand an ihrem Gartenzaun und beobachtete, wie der Regen auf ihre Bohnenblätter prasselte. Als sie sich umdrehte, sah sie Joseph in ihre Richtung kommen und wusste, dass er ihr etwas mitzuteilen hatte, etwas, das der lang ersehnte Regen in ihm freigesetzt hatte.
    Er begann damit, dass er ihren Gemüsegarten bewunderte: die kleinen, prallen Früchte an den Johannisbeerbüschen und die weinfarbenen Stiele der roten Rüben. Dann sagte er: »Ich habe eine Entscheidung getroffen. Nun, da der Regen gekommen ist, kann ich eine Weile fortgehen, ohne fürchten zu müssen, dass alles eingeht oder schief läuft. Wenn du also einverstanden bist, werde ich eine Schiffspassage nach Nelson und weiter zum Hokitika kaufen.«
    Harriet verharrte regungslos, den Hund neben sich, silbern glitzernde Wasserspinnweben im Haar. Sie blickte Joseph nicht an, sondern behielt die Erde im Auge, merkte sich, wo sie trocken blieb und wo sich Pfützen bildeten.
    Nach einer Weile bückte sie sich, streichelte Ladys nassen Kopf, richtete sich wieder auf und sagte: »Und wenn ich nicht einverstanden bin, was wirst du dann tun?«
    Joseph nahm den Hut vom Kopf, schüttelte den Regen ab und setzte ihn wieder auf.
    »Ich muss gehen«, sagte er. »Ich muss gehen, bevor alles Gold weg ist.«
    »Und wenn gar kein Gold da ist?«
    »Die Männer riskieren ihr Leben nicht umsonst, Harriet.«
    »Die Männer riskieren ihr Leben in der Hoffnung auf etwas . Das ist alles.«
    »Ich träume schon vom Grey. Ich werde zurückkommen mit genügend … mit genügend Geld, um unsere Welt zu verwandeln.«
    Sie waren inzwischen vollkommen durchnässt, wie sie da unter dem dunklen Himmel standen. Noch vor wenigen Minuten hatte es Harriet nichts ausgemacht, doch jetzt erkannte sie, wie dumm das war; es war dumm, weil sie beide schwach und anfällig waren.
    »Was haben wir denn in all diesen Monaten anderes getan«, sagte sie, »als zu versuchen, ›unsere Welt zu verwandeln‹?«
    »Ja«, sagte Joseph. »Und es ist uns auch gelungen. Wir haben den Garten geschaffen und den Teich …«
    »Aber dein Herz hängt nicht mehr daran.«
    Joseph senkte den Kopf. Er wollte ihr nicht gestehen, dass sein Herz für die Farm an jenem Wintermorgen erkaltet war, als er es zum ersten Mal am Flussufer hatte funkeln sehen, und dass ihm seit jenem Augenblick alles andere sehr klein undsehr unbedeutend erschienen war. Er griff vorsichtig nach

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