Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
Ihre Röcke waren noch schmutzig von der Fußwanderung nach Rangiora, aber Joseph entkleidete sie nicht, sondern raffte die Röcke einfach zusammen, so dass der Stoff sich unter seinem Bauch bauschte. Er hätte gern ihre Haare auf dem Kissen ausgebreitet, so wie in der ersten Zeit ihrer Ehe, aber dafür waren sie jetzt zu kurz. Er versuchte, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, die von unten heraufklang, und spürte, dass Harriet sich mit ihm bewegte. Sie roch nach der sumpfigen Ebene, nach trockenen Blättern, nach Schweiß und nach Erde.
    Er musste sich schneller aus ihr zurückziehen, als ihm lieb war. Die Musik hatte geendet, und das einzige Geräusch, das Joseph hören konnte, während er da mit seiner Frau lag, war das Pochen seines Herzens, und er empfand diesen Zustand der Stille als außerordentlich schmerzhaft. Als kündigte sich schon das Ende seiner Welt an.
    Harriets Arm lag auf Josephs Rücken, ihre Hand berührte seine knochigen Schulterblätter, und sie merkte, wie dünn er geworden war von all der anstrengenden Arbeit am Bach. Und doch lag er so schwer auf ihr, als wären seine Knochen aus Blei, und sie wünschte, er würde aufstehen, durch den Musselinvorhang davonspazieren und einfach weg sein.
    Aber sie blieb regungslos liegen und ertrug sein Gewicht, weil sie wusste, wie hässlich ihre Gedanken waren. Und sie wusste auch, dass Lieblosigkeit von einer Art Scham begleitet wird, die im Laufe der Zeit immer beängstigender wird.
    Auf dem Nachttisch am Bett sah Harriet die Pistole liegen. Versonnen starrte sie sie an. Wie einfach wäre es, die Waffe zunehmen, sie Joseph an den Kopf zu halten und den Schuss mit einem Kissen zu dämpfen. Der Tod wäre ganz banal, Sache eines kurzen Augenblicks, und nichts im Hotel würde sich rühren – bis auf die Vorhänge, die leise im Wind wehten –, und irgendwann würde auch die Ziehharmonikamusik wieder einsetzen.
    Danach würde sie D’Erlangers Hotel in einem sauberen Kleid verlassen, rasch in der Menge untertauchen, sich Proviant und ein Pferd besorgen und schließlich im Mondlicht aus Christchurch fortreiten. Sie würde etwas essen, das Pferd im Tussockfeld grasen lassen, es neben einem Felsblock anbinden und sich auf der Erde einen Platz zum Schlafen suchen. Derweil läge Josephs Leiche auf dem Bett, sein Gehirn sickerte in die Kissen, und niemand würde ihn vor dem nächsten Morgen entdecken, wenn die Zimmermädchen mit ihren Besen und Eimern erschienen. Sie selbst wäre da aber längst weit weg, schliefe friedlich irgendwo in der endlosen Ebene. Und am Morgen würde sie zur Orchard-Farm reiten und mit Dorothy frühstücken.
    Sie wusste nicht, ob man sie aufspüren, verhaften, ihr den Prozess machen, sie verurteilen, sie gar hängen würde. Sie glaubte, dass auch Mord hier in Neuseeland vielleicht zu den zahllosen Verbrechen gehörte, die jahrelang ungestraft blieben, da die Identität der Schuldigen sich in der Weite des Landes verlor.
    Harriet hörte, wie Josephs Atem jetzt gleichmäßiger wurde, und wusste, dass er auf ihr, auf ihren feuchten Röcken eingeschlafen war. Diesen Tag, das wusste sie, würde sie nie vergessen – das Zimmer in D’Erlangers Hotel mit seinem offenen Fenster und dem eleganten Bett, die Sonne im Gesicht des Pagen, während er am Fenster stand und entschieden auf sein Geld wartete, und die Ziehharmonikamusik, die von unten heraufklang.
    Versuchsweise bewegte sie ihren Arm und schob den Musselinvorhang etwas beiseite, um schnell an die Waffe zu kommen. Falls sie beschließen sollte, Joseph zu töten, würde es sehreinfach sein, Lilian anzulügen und ihr zu erzählen, dass er sich im Hafen von Lyttelton eingeschifft und ihr vom überfüllten Deck aus zugewunken habe, als das Schiff davonsegelte.
    »Was hat er denn mitgenommen?«, würde Lilian fragen.
    »Ein Ding, das sie hier Bündel nennen«, würde sie antworten, »so eine Art Beutel aus Sackleinen mit zwei Riemen zum Zubinden und einer Schlinge zum Tragen.«
    »Und in dem Bündel?«
    »Vorräte. Hohe Stiefel für den sumpfigen Untergrund. Geld.«
    »Aber was denn zum Graben?«
    »Messer, einen Hammer, ein Waschpfännchen, Seile zum Abstecken seines Claims. Ein kleines Zelt, wenn der Winter kommt.«
    »Wenn der Winter kommt? Er hat doch gesagt, er wird zum Winter zurück sein.«
    »Ja, natürlich. Außer er findet ganz viel, oder er hat, im Gegenteil, nur Pech. In beiden Fällen könnte er vielleicht länger bleiben …«
    So einfach wäre es, Lilian anzulügen. Die Monate

Weitere Kostenlose Bücher