Die Farbe der Träume
und sie mit einem Rad auszustatten, damit er sie wie eine Schubkarre am Flussufer entlang und durch die Sümpfe und die endlose dunkle Welt des Buschlands schieben konnte. Immerhin hatte er schon ein Haus gebaut, mit einem steinernen Kamin und mit Fenstern, die nicht undicht waren; da sollte er doch wohl in der Lage sein, solch eine schlichte Vorrichtung zum Sieben von Erde herzustellen!
Er saß in der Bar von D’Erlangers Hotel, trank Bier und entwarf Skizzen für sein Großsieb. Er merkte, wie ihn die Abenteuerlust packte, wie ein seltsames Fieber ihm in sämtliche Glieder fuhr.
III
Harriet hatte eigentlich vorgehabt, ihr Pferd »Wächter« zu nennen. In all ihren Träumen vom Pferd stand es auf einem hohen Bergkamm und hielt Wache.
Aber das Pferd, dessen Aussehen ihr gut gefiel, ein kastanienfarbener Wallach mit einem hohen Trab, hörte auf den Namen Billy. »Sie können den Namen ändern, wenn Sie wollen«, bemerkte der Rosshändler, »aber er wird nicht wissen, mit wem in aller Welt Sie da reden.«
Harriet lächelte. Ihr ging auf, dass Wächter ein selbstgefälliger Name war und dass sie sich in ihren Träumen seltsam großartig und besonders gemacht hatte. »Billy«, wiederholte sie. »Ich werde ihn Billy nennen, wenn das sein Name ist.«
Sie führte das Pferd auf die eingezäunte sumpfige Weide, und der Rosshändler half ihr so in den Sattel, dass sie mit hochgeschobenen Röcken rittlings aufsaß. Sie ließ Billy am lockeren Zügel gehen und tätschelte seinen Nacken, damit er Zutrauen zu ihr fasste. Dann straffte sie die Zügel und spornte ihn an, und trotz seines hohen Trabs hatte er eine leichte Gangart, und sein Maul war empfindsam und reagierte auf den leisestenZug. Sie konnte sich sofort vorstellen, wie er im fliegenden Galopp über die Ebene preschte und die Vögel ringsum aus dem Gras aufflogen.
Sie kaufte Billy für eine Summe, die niedriger war als der Preis für eine Passage auf der Wallabi . Sie ließ ihn für ein Aufgeld neu beschlagen und sagte, sie werde ihn am folgenden Tag abholen und nach Hause reiten. Dann kehrte sie in D’Erlangers Hotel zurück und schrieb einen Brief an ihren Vater:
Ich habe ein Pferd, und ich werde alle ständig darauf hinweisen, dass es mir gehört.
Allerdings weiß ich eigentlich nicht, wer »alle« sind. Wenn Joseph mich morgen verlässt und ich zum Lehmhaus zurückkehre, werde ich allein mit Lilian und den Tieren sein.
IV
Die Wallabi verließ Lyttelton und pflügte langsam durch die Wellen in Richtung Norden, den scharfen Winden der Cook-Meerenge entgegen. Das Schiff roch nach Kohlen und Schmieröl, und auf dem überfüllten Deck herrschte ein unvorstellbarer Lärm. Es wimmelte von Männern, von »neuen Jungs« wie Joseph und »alten Hasen« – Glücksjägern, die vor drei Jahren schon in Otago gewesen waren und jetzt wiederkamen, weil der Glanz des Goldes sie wieder lockte wie eine Geliebte. Und mitten im Gewimmel standen überall Weidenkäfige mit Hühnern, die ihre unmelodiösen Serenaden gen Himmel schickten.
Joseph nahm sich vor, all das auszuhalten. Er setzte sich auf eine Holzkiste auf dem Achterdeck mit Blick auf die im Wind flatternde britische Handelsflagge und das Kielwasser des Schiffs, das zurück zu all dem strömte, was er hinter sich ließ. Er starrte auf den Schmutz in seinen rissigen Händen und dann auf sein Reisebündel, das er sich schon umgehängt und an den Riemenstraff gezogen hatte. Um ihn herum wurde Karten gespielt, es wurde getrunken und gelacht, aber Joseph hielt sich aus alledem heraus.
Er dachte an Harriet, die jetzt nach Hause ritt, und hoffte, das Pferd werde nicht straucheln oder stürzen. Kurz vor ihrer Abfahrt, als die Wallabi plötzlich vibrierte, Rauchfahnen ausstieß und mit der Schiffsglocke die letzten Passagiere rief, hatte Joseph Harriet auf dem Kai an sich gedrückt – herzlich wie einen Freund, aber ohne Leidenschaft –, und sie hatte ihn traurig angeschaut. In ihrem Blick hatte durchaus Zuneigung gelegen, aber es war die Zuneigung einer Mutter zu ihrem Kind, das sie enttäuscht hat. Und dann hatte sie gefragt: »Glaubst du, dass wir einander wiedersehen?«
Er küsste darauf ihre Wange, die harte, feste Haut unter ihren hohen Wangenknochen. Ihre Frage fand er melodramatisch. Aber er erklärte ihr ruhig, er werde selbstverständlich wiederkommen. Sie müsse einfach auf die Karte von Neuseeland schauen, dann sehe sie, dass er gar nicht so weit wegfahre, sondern nur auf die andere Seite der Berge.
»Ach
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