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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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nicht geheiratet. Er hatte sie getötet.
    Joseph schlief ein bisschen und erwachte, als es hell zu werden begann. Sein Feuer war erloschen. Mit der aufgehenden Sonne kamen auch die Sandmücken und stachen ihn am Hals und in die Hände.
    Er kehrte ins Hotel zurück, wo seine Mitreisenden von der Wallabi gerade ein Frühstück aus Hafergrütze, Tee und gebratenem Hering aßen. Er holte sich eine Schale Hafergrütze und einen Becher Tee und setzte sich zu den Männern. Alle waren prächtiger Laune und sehr laut, und ihre Gespräche drehten sich nur um Kaniere und das, was sie dort finden würden.
    »Ein Aufsteiger«, erklärten sie Joseph. »Ein guter Aufsteiger.«
    »Aufsteiger?«
    »Du bist wohl neu, Kumpel, was? Nie das Wort ›Aufsteiger‹ gehört? Besser als ein ›Versorger‹, Mister. Auf Versorger-Boden findest du gerade so viel, dass du deine Gebühren bezahlen kannst und ein bisschen für dich hast, für deinen Bauch und deinen Durst, aber nicht viel mehr. Bei einem Aufsteiger könntest du ein gutes Stück mehr kriegen. Ein paar Pfund nach Hause oder sonstwohin schicken.«
    Joseph trank seinen Tee, der stark und bitter war. Er hatte keinen Appetit und ließ Will Sefton seine Hafergrütze essen, während die anderen Männer schon das Hotel verließen, entweder um sich ihre Lizenz im Büro der Verwaltung zu besorgen oder um den Fluss hinauf nach Kaniere zu marschieren. Er sagte, Will solle sich doch den Goldgräbern anschließen und nicht auf ihn warten, aber Will schüttelte den Kopf, wischte sich den Mund am Ärmel ab und sagte leise: »Ich hab eine Geschichte gehört, Mister Blackstone. Hab zwei im Plumpsklo flüstern gehört. Kaniere kann ja vielleicht ein, zwei Aufsteiger-Stellen haben, aber irgendwas ist in Kokatahi los. Ein Trapper hat da eine blaue Bergente geschossen und einen Klumpen Gold im Magen gefunden. So groß wie eine Buchecker! Also sind die zwei Pisser ab nach Kokatahi.«
    Joseph nickte. Offenbar hatte Will Sefton ihn sich ausgesucht; er wusste aber nicht, ob der Junge ihn schützen wollte oder selbst Schutz suchte, doch das fand er nicht so wichtig.
    »Wie weit ist es bis Kokatahi, Will?«
    »Das ist hinter Kaniere. Noch weiter den Fluss rauf. Plattes Sumpfland, haben sie gesagt. Gibt nichts dort außer Vögel und Buschratten. Und wenn wir Glück haben, kommen die anderen nicht bis dahin.«
    Das war es, was Joseph wollte, und Will hatte es begriffen: sich fernhalten von der Horde. Er wollte gerade darüber staunen, wie klug der Junge seine Gedanken lesen konnte, als ermerkte, wie naiv er war: Denn war es nicht das, was jeder Goldsucher sich wünschte? Schneller als die anderen sein, ganz allein losziehen, ganz allein sein Glück machen und alles, was man findet, für sich behalten. Vielleicht waren bei einem Goldrausch ja die Spätkommer die wirklich glücklichen Menschen? Die Männer der Vorhut sahen ihre ganze geduldige Arbeit meist durch das hereinbrechende Chaos zunichtegemacht.
    »Was meinst du? Werden wir noch vor heute Nacht Gold finden?«, fragte Joseph.
    »Weiß ich nicht, Mister Blackstone.«
    »Oder sollen wir hierbleiben und uns nicht verrückt machen lassen?«
    »Wir müssen uns schon ein bisschen verrückt machen lassen, sonst kriegen wir nichts. Und ich weiß, was so ein Nichts mit einem Goldgräber anstellt. Ich kenne ein Lied vom Arrow, und das geht so:
    »Wo es ist,
    da ist es.
    Aber wo es ist,
    da bin ich nicht.«
    »Wo es ist, da bin ich nicht?«
    »Ja. Und ich hab sie gesehen: Männer, die einen Claim nach dem anderen abstecken, jedes Mal dreißig Schilling für das Schürfrecht. Und die nichts finden. Nur ein bisschen Staub.«
    Joseph dachte an seinen Bach. Er steckte die Hand in die Tasche und berührte sein Taschentuch mit dem winzigen Häufchen Goldstaub, das so lange in der Teedose hinter der Kattunzimmerwand im Lehmhaus versteckt gewesen war.
    »Ich will mehr als Staub, Will«, sagte er.
    »Dann sollten wir anfangen. Uns auf die Reise machen. Wir sollten uns beeilen, Mister Blackstone.«
    Joseph kaufte einen Handkarren, eine Art Schubkarre mit einem hölzernen Rad, das gegen den harten Boden mit einem Eisenreif beschlagen war. Er entdeckte eine Goldwaschrinne, die für drei Schilling angeboten wurde und deren Sammeltrog statt mit Segeltuch mit einem Stück verblichenen grünen Samt ausgelegt war. Er malte sich aus, wie schön das Gold auf dem Samt schimmern würde, und dachte, diese Waschrinne werde ihm Glück bringen, weshalb er sie ebenfalls kaufte. Anscheinend

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