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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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machte er sich keine Gedanken mehr über Preise.
    Er bemerkte, wie Will sich sehnsüchtig Angelruten anschaute. Mit einer Angel, sagte der Junge, finge er »all die Fische im Fluss, und dann leben wir wie die Maden im Speck«. Da verfluchte Joseph sich, weil er seine eigenen Angeln und das Köderkästchen mit der versteckten Locke zurückgelassen hatte, und kaufte eine Angel und eine Dose Würmer. »So was heißt Sacheinlage«, sagte Will. »Ich schulde Ihnen dafür ein bisschen Gold, wenn ich was finde.«
    Seinen Handkarren vor sich her schiebend, trödelte Joseph noch ein wenig durch die Gassen von Hokitika.
    Ein Mädchen rief ihm aus einem Türeingang etwas zu, er sah sie an, ihre Augen begegneten sich für einen Moment, doch er ging weiter. Und die ganze Zeit hörte er das Rauschen des Meeres, und fast war ihm, als fürchte er sich davor, es hinter sich zu lassen und in die Stille der Berge zu ziehen.
III
    Joseph und Will Sefton folgten dem Lauf des Hokitika-Flusses nach Südwesten. Unterwegs stießen sie im Buschland auf angefangene und wieder aufgegebene Grabungsstellen. Neben den Hügeln aus gesiebter Erde lagen kaputte Schaufeln und Pickel, Lattenkisten, in denen einst Hühner transportiert worden waren, Säcke mit Mehl, deren Inhalt sich in Kleister verwandelt hatte, und im Wind treibende zerrissene Zeitungsseiten.
    Nach und nach wurde das Gelände steiler, zu ihrer Linken schob sich der Wald zwischen sie und den Himmel, und der Pfad am Fluss wurde schmal. Sie hörten den süßen Gesang des Glockenvogels.
    Nun, da sie sich endlich ihrem Ziel näherten – oder zumindest einem Ziel, das Joseph sich vorstellen konnte, –, ging es ihm allmählich besser. Sein Magen beruhigte sich, und er machte eine Pause mit Will, und sie aßen ein Stück Speck. Nach seinem nächtlichen Weinanfall fühlte er sich so ruhig wie schon seit langem nicht mehr, als wäre er ein hartnäckiges Fieber losgeworden.
    Kurz bevor sie Kaniere erreichten, blieb Will stehen und forderte Joseph auf, die Ohren zu spitzen.
    »Der Goldrausch, Mister Blackstone. Gibt kein zweites Geräusch unterm Himmel wie dies.«
    Joseph setzte den Karren ab. Mit einem Tuch wischte er sich den Schweiß aus dem Nacken. Das Tal war immer noch schmal, und an seinen steilen Wänden brach sich das Echo. Und jetzt hörte er etwas, das wie ein Buschorchester klang, bei dem der Rhythmus auf Steine und gegen hohe Bäume getrommelt wurde.
    »Waschwiegen«, sagte Will. »Hören Sie sie? Sie rütteln und schütteln.«
    »Ja, ich höre sie.«
    »Und Pickel, die auf Stein treffen. Eine Winde gibt es auch, glaube ich. Ich hör das Quietschen von einem Rad.«
    »Sie holen den Schlamm mit einer Winde hoch, oder?«
    »Ja. Oder sie benutzen sie zum Auspumpen ihrer Schächte. Das Gold liegt ganz unten im Tonmergel, und da muss man rankommen. Aber manchmal ist das Wasser dein Feind. Läuft in deinen Schacht, lässt ihn immer wieder absaufen. Du siehst den Tonmergel – die Schürfer sagen ›blauer Ton‹ dazu –, aber du kommst nicht ran.«
    Sie liefen weiter. Der schmale Pfad stieg die ganze Zeit sanft an, und Joseph spürte jetzt das Gewicht des voll beladenen Karrens doch sehr in seinen Armen. Er hätte nur zu gern in Kaniere Halt gemacht, aber das war es nicht, was er wollte, einen »tauben« Claim inmitten der Horden beackern. Er wünschte, er hätte mit Will einen Bogen um den Grabungsort machen können, doch sie mussten dem Fluss so lange folgen, bis er sich teilte und der Weg nach Kokatahi in Sicht kam. Also trotteten sie in langsamem Tempo weiter, und der Wind, der die Küste malträtiert hatte, legte sich allmählich, und die Sonne schien warm auf sie herunter. Und jetzt tauchte im schnell dahinströmenden Hokitika auch Grabungsmüll auf – durchgewühlte Erde aus den Goldadern, Reste und Enden von Seilen und Tauen, schmierige Verpackungen von Lebensmitteln und Tabak, alte Flaschen und Gläser – und trieb ins Meer.
    Und dann lag das Goldfeld von Kaniere vor ihnen: Alles Gestrüpp war ausgerissen und verbrannt worden, die Bäume hatte man gefällt und zerkleinert und aus dem Holz Winden und die Rinnen auf Stelzen gebaut, in denen Wasser aus dem Fluss zu den Claims in den Hügeln transportiert wurde. Das Gelände hatte etwas Geschundenes, Pockennarbiges und wirkte auf Joseph wie ein Feldlazarett für die Überreste einer kleinen, vergessenen Armee. Überall standen Zelte, schief und in unordentlichen Reihen. Dazwischen auch Bretterbuden, mit Ti-Ti Blättern gedeckt und

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