Die Farbe des Himmels
entfernt. Er deutete ein Nicken an, als er Thea und Messmer sah. Wolf Hausers Leichnam lag auf dem Tisch in der Mitte des Saales.
Wie würdelos man aussieht, wenn man so nackt auf einem Stahltisch liegt, ging es Thea durch den Kopf. Was nützt dem Mann jetzt all sein Geld?
Professor Krach begann routiniert mit seiner Arbeit. Thea stellte sich etwas abseits und bemühte sich, keine Schwäche zu zeigen. Als sie vor zwei Jahren beim Dezernat 1.1 im Umlauf gewesen war, hatte sie pflichtgemäß an zwei Obduktionen teilgenommen, war aber jedes Mal froh gewesen, wenn sie wieder draußen an der frischen Luft stand. Sie beobachtete, wie Finkbeiner mit der Digitalkamera konzentriert den inzwischen kahl rasierten Kopf Wolf Hausers fotografierte. Die Eindellung von dem Gegenstand, der das Schädeldach zerschmettert hatte, war deutlich sichtbar.
»Bei dieser Verletzung hatte der Mann keine Chance«, erklärte Krach. »Wahrscheinlich war er sofort bewusstlos. Die starke Gehirnblutung hat dann schnell zum Tod geführt.«
Thea bemühte sich, nicht durch die Nase zu atmen, während sie zusah, wie Olunga den Schädel aufsägte und Finkbeiner vorsichtig das Gehirn herauslöste. Als er es wog, musste sie daran denken, dass das Gehirn eines Mannes angeblich siebzig Gramm schwerer als das einer Frau war, und überlegte, wer ihr das gesagt hatte. Sie kam zu dem Schluss, dass es Messmer gewesen sein musste.
»Ein größerer Bereich des Gehirns ist mit geronnenem Blut verkrustet«, murmelte Krach mit monotoner Stimme in sein Diktiergerät. »Das korrespondiert mit der zertrümmerten Schädeldecke.«
Finkbeiner machte nun den Ypsilon-Schnitt und hob die Organe nacheinander aus der Bauchhöhle. Er nahm die Leber von der Waage und begann, sie in dünne Scheiben zu schneiden. Thea wandte sich ab und fragte sich, ob die Obduzenten es wohl noch über sich brachten, Leber zu essen.
»Der Obduktionsbericht wird noch eine Weile auf sich warten lassen; zwei meiner Schreibdamen sind im Urlaub«, erklärte Krach eine Stunde später, während Olunga den Leichnam sorgfältig zunähte. »Die Sektion bestätigt, was wir bereits vermuteten: Der Mann wurde heute Morgen zwischen sieben und acht Uhr mit einem harten, runden Gegenstand erschlagen.«
»Vermutlich mit der Glaskugel, die dann unter den Tisch gerollt ist«, sagte Messmer, mehr zu sich selbst.
»Das herauszufinden ist eure Sache, nicht meine«, lächelte Krach. »Ich konnte in der Wunde keine Materialspuren finden. Weder Holzspäne noch Glassplitter, und auch nichts anderes.« Er streifte die Plastikhandschuhe ab, warf sie in den Mülleimer und schrubbte sich ausgiebig die Hände.
Thea stellte sich neben Messmer und beobachtete ihn. Befriedigt stellte sie fest, dass er auch etwas blass aussah, und das lag ganz bestimmt nicht nur am Neonlicht. Wenn er vorhin noch Spiegeleier gegessen hatte, dann bereute er das wahrscheinlich inzwischen.
Bevor sie gingen, nahm Messmer die Leichenmeldung aus seinem Aktenkoffer und reichte sie dem Staatsanwalt. »Es wäre toll, wenn ich morgen früh die Freigabe hätte, damit die Witwe zum Bestatter gehen kann.«
»Mal sehen, was sich machen lässt«, entgegnete Triberg knapp.
Als Thea und Messmer zurück zur Dienststelle fuhren, war es kurz vor halb sieben.
Messmer gähnte. »Zwischen sieben und acht Uhr«, seufzte er. »Wer zum Teufel hat Hauser so früh am Morgen besucht? Was meinst du?«
Fragt der wirklich mich?, wunderte sich Thea. Und erwartet er womöglich eine Antwort?
»Sein Mörder?«, schlug sie vor.
*
28. März 1974
Die Signora ist gestern fortgegangen. Es war ein herber Schlag für mich. Wir sind uns in den letzten Monaten sehr nahe gekommen. Endlich hatte ich jemanden gefunden, mit dem ich reden konnte, und jetzt ist alles noch schlimmer als vorher. Das Zimmer ist schrecklich leer ohne sie und den unaufhörlich singenden Celentano. Es ging alles so schnell. Sie sagte nur, sie würde nach Italien zurückgehen. Für immer. Den alten Plattenspieler mit der »Azzurro«-Platte hat sie mir dagelassen, als Andenken. Sie sagte, sie sei jetzt endlich mit dem Typen fertig, an den das Lied sie erinnert, und will es nicht mehr hören. Ich kann es nicht glauben, aber jetzt sitze ich tatsächlich da und höre diese Schnulze, während ich das hier schreibe. Gleich fange ich noch an zu heulen. Die Signora sagte, ich solle sie Sofia nennen und als Freundin betrachten, auch wenn sie zehn Jahre älter ist als ich. Und ich kann jederzeit zu ihr
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