Die Farbe des Himmels
Darauf sehe ich völlig bescheuert aus«, lachte Thea unter Tränen.
»Ich finde es reizend. Deine Mutter übrigens auch. Und sie brennt darauf, dich kennen zu lernen.«
»Ich auch«, sagte Thea leise. Sie musste dringend das Thema wechseln, sonst würde sie gleich richtig losheulen.
»Was tust du denn in Stuttgart sonst noch, außer mich bei meiner Mutter mit grässlichen Fotos unmöglich zu machen?« Während sie sprach, humpelte sie zur Terrasse zurück. Sie musste sich setzen, ihr Knie tat weh. Der Chianti würde helfen, den Schmerz zu betäuben. Sie nahm noch einen kräftigen Schluck. »Wie laufen die Ermittlungen?«
»Frag mich lieber nicht. Der Fall hat sich total festgefahren. Antonia Linders DNA hat auch keinen Treffer gebracht. Von Helene Hauser ganz zu schweigen. Wir haben sogar die der Putzfrau überprüft. Negativ. An der Waffe, mit der Antonia umgebracht wurde, gab es zwei genetische Fingerabdrücke. Beide weiblich. Davon ist einer Antonia zuzuordnen. Der andere ist mit dem am Briefbeschwerer identisch. Aber zu wem gehört die Spur? Wir kommen einfach nicht weiter.«
»Vielleicht war es die Frau im blauen Kleid vom Friedhof«, sagte Thea und sah flüchtig zu dem Brief, der auf dem Tisch lag.
»Gut möglich. Aber von der könnte ich nicht mal ein Phantombild erstellen.« Thea hörte seinen tiefen Seufzer über die Entfernung von mehr als tausend Kilometern. »Und wir standen keine zehn Meter von ihr entfernt.«
»Es scheint, als müsste dieser Fall ungelöst zu den Akten gelegt werden, was?«
»Es gibt nichts Deprimierenderes. Am liebsten würde ich jetzt Urlaub machen. Einfach abhauen und irgendwo hinfahren, wo’s schön ist.«
»Wie war das noch? ›Zuerst Schottland, dann auf einen Sprung nach Schweden und Norwegen, und Finn- Finnland soll auch sehr schön sein.‹« Hickste sie etwa?
»Gute Idee«, lachte Messmer. »Danach kam, glaube ich, der Schlenker über die Alpen in die Toskana und zum Schluss Monte Carlo.«
»Lass doch den Norden einfach weg und komm gleich über die Alpen«, hörte Thea sich sagen, überrascht von ihrem eigenen Mut. »Du glaubst nicht, wie herrlich es hier ist.«
Ein paar Sekunden lang herrschte Stille am anderen Ende.
»Ist das dein Ernst?«
»Natürlich.« Theas Zunge wurde allmählich schwer. »Wenn du Erholung brauchst, findest du sie nirgends besser als hier.«
»Welcher göttlichen Fügung habe ich denn diesen Sinneswandel zu verdanken?«
Thea blickte über die toskanische Landschaft bis zum Horizont, wo die goldene Scheibe der Sonne gerade ins Meer eintauchte.
Der Himmel stand in Flammen. Jede Spur von Azurblau war jetzt aus ihm verschwunden.
Sie atmete tief durch, bevor sie antwortete. »Du hast einfach Glück, dass du keine blauen Augen hast.«
Messmer schwieg einen Augenblick. Thea sah sein verblüfftes Gesicht förmlich vor sich.
»Das ist eine Antwort, über die nachzudenken sich lohnt«, sagte er schließlich diplomatisch. »Thea, mal ehrlich, hast du was getrunken?«
»Ich habe doch nicht getrunken. Wo denkst du hin? Ich hab nur diesen phantastischen Traubensaft in der Küche gefunden. Chianti heißt der. Aber der gehört hierzulande zu den Grundnahrungsmitteln.« Noch einen Schluck, und sie würde anfangen zu lallen.
»Von Alkoholmissbrauch kann also überhaupt keine Rede sein«, frotzelte Messmer.
»Überhaupt nicht«, gluckste sie.
»Aber das Beste habe ich dir noch gar nicht erzählt: Weißt du, wer sich im Präsidium als Reinigungskraft beworben hat?«
»Sag’s nicht!« Thea schwante Schreckliches.
»Du liegst ganz richtig – Bosiljka Baric.«
»Oh Gott, oh Gott!«, war alles, was Thea dazu einfiel.
»Ihre Chancen stehen gar nicht mal so schlecht. Sie muss dem Personalchef ›schr schene Augen‹ gemacht haben.«
»Dann wirst du künftig dein Büro wohl lieber selbst putzen, was?«
»Ich versuche mich gerade mit dem Gedanken anzufreunden«, sagte Messmer. »Muss allmählich mal von meinem Macho-Image wegkommen. Aber wie geht es dir? Was tust du sonst noch, außer Rebensaft zu verkosten?«
Thea legte den Brief der Signora in die große Terrakottaschalc, die auf dem Tisch stand.
»Ich hab mir das Haus meiner Mutter angesehen. Dabei hab ich auch diese Flaschen gefunden, von denen ich dir gerade erzählt habe. Morgen werde ich erkunden, ob es im Keller noch mehr davon gibt.«
Sie griff nach der Schachtel mit den Kaminhölzern und zündete eines an. Gar nicht so einfach nach drei Gläsern Chianti. »Es macht
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