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Die Farbe des Himmels

Die Farbe des Himmels

Titel: Die Farbe des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britt Silvija und Reissmann Hinzmann
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den beiden mit der Zeit eine tiefe Freundschaft entwickelt. Als sie volljährig waren, mieteten sie eine gemeinsame Wohnung in Leinfelden, die mitten in der Einflugschneise des Flughafens gelegen und entsprechend günstig war. Von hier aus waren sowohl Theas Polizeischule in Böblingen als auch Karolins Bank in der Innenstadt gut zu erreichen. Drei Jahre hatten sie dort zusammen gelebt, bis Karo sich Hals über Kopf verliebte und nach Stuttgart zog. Thea fand eine Stelle bei einem Stuttgarter Polizeirevier und tat es ihr nach. Aber noch heute erinnerte sie sich gern an die Abende, an denen sie mit Karo auf dem winzigen Balkon gesessen hatte, das Rotweinglas in der Hand und die Flieger so tief über ihnen, dass man die Fahrgestelle erkennen konnte. Etliche Träume waren dort entstanden, von Reisen in ferne Länder, Abenteuern in fremden Kulturen, und oft hatten sie sich gefragt, wie die Wolken wohl von oben aussehen.
    Die Sonne war schon untergegangen, als Thea ihren Corsa im Parkhaus neben der Leonhardskirche abstellte. Eigentlich war sie so müde, dass sie nach dem Dienst am liebsten gleich nach Hause gefahren wäre, doch im letzten Moment war ihr das Versprechen eingefallen, das sie Karolin heute Morgen gegeben hatte. Heute Morgen – ihr war, als wären inzwischen mehrere Tage vergangen. Sie schloss den Wagen ab, verließ das Parkhaus und ging über den Leonhardsplatz zum Bohnenviertel.
    Karolin hatte die kleine Dachgeschosswohnung in der Lazarettstraße vor etwas mehr als einem Jahr bezogen. Tagsüber war die Stuttgarter Altstadt einfach nur pittoresk und beschaulich, doch wenn am Abend die Laternen angingen, gehörte dieses Viertel ganz dem Rotlichtmilieu.
    Als Thea in die Lazarettstraße einbog, lehnten die ersten Dirnen lässig in den Hauseingängen, gelangweilt, rauchend und immer mit einem Auge nach potenziellen Freiern schielend.
    Ein junges Mädchen, Thea schätzte sie auf knapp achtzehn, in kurzem Röckchen und einem Top, aus dem ihre Brüste fast herausfielen, maß sie mit einem abschätzigen Blick und stellte sich noch eine Spur aufreizender in Positur. Thea spürte, wie ein Fahrzeug hinter ihr langsam an den Gehsteig fuhr. Sie drehte sich um. Am Steuer eines schwarzen Mercedes Cabriolets saß ein Goliath mit tätowierten Oberarmen und einer dicken Goldkette um den muskulösen Hals. Er grinste sie an und schnippte eine Zigarettenkippe aus dem Wagen. Instinktiv machte Thea einen Satz zur Seite und beschleunigte ihre Schritte. Erst als sie Karolins Hauseingang erreicht hatte und die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, atmete sie auf. Eine tolle Polizistin war sie. Kaum hatte sie das Holster mit der Dienstwaffe abgelegt, sträubten sich ihr die Nackenhaare, sobald ihr jemand einen Schritt zu nahe kam.
    »Komm rein, ich muss nur noch die Spaghetti abgießen.« Karolin hielt ihr mit einer Hand die Tür auf und versuchte mit der anderen, das Band ihrer Küchenschürze zu lösen.
    »Woher wusstest du, wann ich komme?«, wunderte sich Thea.
    Karolin lachte. »Ich hab es einfach auf gut Glück versucht.« Sie fluchte leise, als ihr einige Nudeln beim Abgießen in die Spüle rutschten. »Wärst du später gekommen, hätte ich sie dir entweder in der Soße aufgewärmt oder einen Auflauf gemacht. Ich weiß ja, dass du in punkto Essen nicht so penibel bist.«
    Thea musste lächeln. Essen war für sie wirklich zur Nebensache geworden. Aber als ihr jetzt der würzige Duft von Hackfleisch und Zwiebeln in die Nase stieg, merkte sie, dass sie einen Bärenhunger hatte. »Ich hab tatsächlich seit acht Stunden nichts gegessen.«
    »Dann wird es Zeit.« Karolin holte zwei Pastateller aus dem Hängeschrank und drückte sie Thea in die Hand. »Du kannst schon mal den Tisch decken. Ich komme gleich mit dem Rest.«
    Thea verteilte die Teller und das Besteck auf dem Esstisch im Wohnzimmer und ließ sich auf das schwarze Ledersofa fallen. Ihr Blick wanderte über die zimmerhohen Bücherregale mit Hunderten von Romanen. Karolins Leben, oder besser gesagt ihr Ersatzleben, waren Bücher. Der Ausgleich zu ihrem Job als Bankangestellte, bei dem sie meist in gelangweilte Gesichter schaute und endlos Geldscheine auf den Tresen zählte, die ihr nicht gehörten. Wer sie so perfekt geschminkt und gestylt hinter dem Schalter sitzen sah, konnte nicht ahnen, welche Abgründe sich nach Feierabend in ihr auftaten, wenn sie nach Hause kam, sich eine Kanne Tee brühte und es sich mit einen Krimi  oder Liebesroman auf dem Sofa gemütlich machte.

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